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Landeshauptstadt: Lebenshilfe kostet zwei Kinokarten

Start der„Wir wollen nur eins“-Kampagne: Mahnwache für Schulsozialarbeit

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Start der„Wir wollen nur eins“-Kampagne: Mahnwache für Schulsozialarbeit Von Nicola Klusemann Trikot- und Kerzentausch alle halbe Stunde vor dem Potsdamer Stadthaus. Seit gestern halten Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit ihren Schulsozialarbeitern Mahnwache. Eigentlich hätten sie jetzt gerade Kunstunterricht, sagt die 13-jährige Aileen von der Gesamtschule 19 „Rosa Luxemburg“. Aber sie und ihre Freundin Andrea seien von der Schulleiterin höchst persönlich vom Unterricht freigestellt. Eine Liste mit 28 Schülernamen garantiert den nahtlosen Protest von 8 bis 15 Uhr. Das Anliegen werde zwar nicht von allen, aber doch von vielen auf Lehrer- und Direktorenebene mitgetragen, sagte die Sozialarbeiterin an der Luxemburg-Gesamtschule, Birgit Dongowski. Aus einem Bauchladen heraus versorgt sie interessierte Passanten mit Infomaterial über die Kampagne und den Trägerverein der Schulsozialarbeiter Paragraph 13 e.V. Wieder wechseln die Aktions-T-Shirts mit dem Aufdruck „Wir wollen nur eins“ ihre Träger. Die 30 Minuten Mahnen für Aileen und Andrea sind um. Der vom Paragraph 13 organisierte stille Protest ist nur eine von vielen Aktionen einer großen Kampagne von Vereinen und Verbänden, die sich gegen den drohenden Abbau von Jugendsozialarbeit wendet. Auch wenn es abgegriffen erscheint, erklärt Birgit Dongowski: „Kinder sind unsere Zukunft“. Dass die zum Teil verhaltensauffälligen, hyperaktiven oder problemschweren Luxemburg-Schüler eine Zukunft haben, daran ist sie seit mehr als zehn Jahren beteiligt. Wie abgesprochen kommt plötzlich einer „meiner ersten Fälle“ vorbei. Silke, heute 24, hatte keine Perspektiven: Schwieriges Elternhaus, schlechte Schulnoten, wenig Antrieb. In der Zwischenzeit hat sie ihre Ausbildung beendet, einen Job und einen Freund, mit dem sie eine gemeinsame Wohnung in Babelsberg hat. „Es würden einige durchs Raster fallen, wenn es die Schaltstelle Schulsozialarbeit nicht gäbe“, ist sich Birgit Dongowski sicher. „Da wäre niemand, mit dem man seine Probleme bequatschen könnte“, pflichtet ihr Andrea bei. Lehrer und auch Eltern seien für manche Themen als Ansprechpartner einfach ungeeignet. Das Beratungsspektrum der Sozialpädagogen umspannt nahezu alle Problemlagen vom einfachen Liebeskummer bis zur drohenden Heimunterbringung. Eine Beratungsstunde koste durchschnittlich 13,50 Euro, habe man mal ausgerechnet, das sei der Preis von zwei Kinokarten, so Birgit Dongowski. Das sollte sich die Stadt Potsdam auch künftig leisten, fordern die Mahnwächter. „Ihre Arbeit ist für dieses Jahr gesichert“, hatte ihnen Oberbürgermeister Jann Jakobs vor seinem Dienstbeginn gestern früh zugerufen. „Wir denken langfristiger“, sagt Dirk Harder, Chef des Stadtjugendrings und Koordinator der Kampagne „Wir wollen nur eins“. Im Jahr 2005 laufe das 610-Stellen-Programm aus, über das ein Großteil der Jugendsozialarbeit finanziert werde. Auch sonst werde immer wieder versucht bei Haushaltsknappheit die Zuweisungen für Kinder- und Jugendarbeit zu kürzen. Deshalb fordere man, so Harder, dass ein Prozent der städtischen Haushaltsausgaben für diesen Bereich festgeschrieben werde. Um dem Nachdruck zu verleihen, werden die Jugendvereine und -verbände am Mittwochabend ab 19 Uhr während der tagenden Stadtverordnetenversammlung vor dem Stadthaus demonstrieren.

Nicola Klusemann

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