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Frischluft-Schneise statt Erdwall. Kurt Weiden setzte sich seinerzeit vehement für den Erhalt der Nuthewiesen, im Hintergrund das Wohngebiet Am Schlaatz, ein.

© A. Klaer

Von Erhart Hohenstein: Lebenskraft trotz aller Widrigkeiten

Heute jährt sich der Geburtstag des Regionalhistorikers Kurt Weiden zum 100. Mal – er setzte sich gegen die Zerstörung von Umwelt und Denkmalen ein

Stand:

Ohne Kurt Weiden wären die Reste der Nuthewiesen heute wohl mit Erde aufgefüllt, das Flächennaturdenkmal „Feuchtgebiet Alter Nuthelauf“ gäbe es höchstwahrscheinlich nicht. Über den Neuendorfer Anger würde sich ohne sein Engagement eine mehrspurige Autostraße ziehen, die Wiederherstellung des alten Kirchleins wäre so unmöglich gemacht worden. Der Babelsberger, dessen Geburtstag sich am heutigen Samstag zum 100. Male jährt, war mehr als der Archivar und Regionalgeschichtler, als der er den Lesern des PNN-Vorgängers „Brandenburgische Neueste Nachrichten“ durch zahlreiche Beiträge bekannt wurde. Leidenschaftlich, aber auch taktisch geschickt setzte Kurt Weiden sich in der DDR-Zeit gegen Denkmal- und Umweltvernichtung ein.

Grundlage dafür war die Hartnäckigkeit, mit denen Weiden seine Anliegen immer aufs Neue gegenüber den Behörden vertrat. Dabei konnte er auf die Ergebnisse seiner Forschungen verweisen. Zudem blickte er auf die Erfahrungen eines Lebens zurück, wie es reicher und bunter, manchmal aber auch dramatischer kaum sein konnte. Der im Netzedistrikt (heute Polen) geborene Kurt Wiersbitzki trat nach dem Abitur und einer Lehre als Autoschlosser in die Polizei ein und diente ab 1930 bei der berittenen Polizei in Potsdam. Nach Dolmetscherprüfungen in Englisch und Französisch wurde er vornehmlich an den Schwerpunkten des Fremdenverkehrs eingesetzt. 1932 erkrankte er an der gefürchteten spinalen Kinderlähmung und behielt eine dauerhafte Gehbehinderung zurück. Dennoch setzte Wiersbitzky, von einem Boot begleitet, mit dem Durchschwimmen des Templiner Sees ein Zeichen für seine ungebrochene Lebenskraft.

Ab 1936 wurde Kurt Wiersbitzky im Landratsamt Teltow zum Verwaltungsbeamten ausgebildet. Im selben Jahr hatte er seine Frau Elfriede geheiratet. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Im westpreußischen Schwetz (Weichsel), wo er ab 1940 als Kreisinspektor und Leiter des Ernährungsamtes tätig war, erwarb er sich durch Toleranz und Gerechtigkeit Vertrauen auch bei der polnischstämmigen Bevölkerung. Dies löste die Kritik der NSDAP-Funktionäre aus und führte zu einer mehrjährigen Abkommandierung nach Guben, Berlin und Kroatien. Erst 1943 konnte er seine Tätigkeit in Schwetz wieder aufnehmen. Inzwischen war er genötigt worden, seinen polnisch klingenden Namen als „Weiden“ einzudeutschen. Anfang 1945 floh er mit seiner Familie auf verschlungenen Wegen bis Gotenhafen, wo er mit einem Flüchtlingsschiff nach Kopenhagen übersetzte. Von dort nach Potsdam zurückgekehrt, überlebte Kurt Weiden im Keller seines Wohnhauses den englischen Bombenangriff vom 14. April 1945. Nach dem Krieg aus der Verwaltung entlassen und unter Beobachtung gestellt, musste er unter anderem als Totengräber und Nachtwächter arbeiten. Erst ab 1947 konnte er, zuerst bei der Industrie- und Handels-Kammer, dann beim Autobahnbaukombinat, wieder in der Verwaltung tätig werden. Noch als 55-Jähriger legte er nach einem Fernstudium sein Staatsexamen als Archivar ab. Als Leitarchivar sicherte, ordnete und bearbeitete er Unterlagen, die bis in die jüngste Zeit für Vorhaben – beispielsweise beim Bau der Friedrich-List-Straße – zu Rate gezogen wurden.

Darüber hinaus begann Kurt Weiden mit seinen regionalgeschichtlichen Forschungen. Sie reichten von Zuarbeiten für das Oderlandmuseum in Wriezen über die Chroniken mecklenburgischer Dörfer bis zu stadtgeschichtlichen Themen, so zur Geschichte des Amtsdorfes Neuendorf (1976/80), zur Baugeschichte des Böhmischen Dorfes Nowawes (1980/81), zur Geschichte des Dorfes Drewitz (1982) oder zur Villenkolonie Neubabelsberg (1983). Diese Themen behandelte er auch in zahlreichen Beiträgen für die „Brandenburgischen Neuesten Nachrichten“ (BNN).

Bei deren Vorbesprechung war der große, kompakte Mann mit dem Schnauzer in seinem Häuschen auf dem Neuendorfer Anger für den beauftragten BNN-Redakteur ein stets freundlicher und geduldiger Gesprächspartner. Anfang 1987 sollte eine neue Zeitungsserie über das Potsdamer Handwerk besprochen werden. Doch zu diesem Termin kam es nicht mehr. Auf einem Spaziergang erlitt Kurt Weiden am 8. Februar 1987 einen Herzschlag. Er ist auf dem Friedhof an der Babelsberger Wichgrafstraße bestattet.

Erhart Hohenstein

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