
© A. Klaer
Landeshauptstadt: Leerstellenbörse
In Potsdam suchen Firmen händeringend Azubis. Rund 600 Plätze sind noch unbesetzt
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Egal ob Kaufmann, Koch oder Goldschmied – in fast allen Ausbildungsberufen wird der Nachwuchs knapp. Gut einen Monat vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres fehlen der deutschen Wirtschaft laut der Bundesagentur für Arbeit knapp 200 000 Lehrlinge. Im gesamten Bereich der Arbeitsagentur Potsdam sind noch immer 1400 Lehrstellen offen, in Potsdam selbst sind es derzeit etwa 600. „Das ist eine sehr schwierige Situation. Im Vergleich zum Vorjahr haben wir etwa 130 Stellen mehr, aber 100 Schüler weniger, die sich um eine Stelle bewerben“, schildert die Potsdamer Agenturchefin Ramona Schröder die Situation.
Vor allem bei kleineren Betrieben schlage der Azubimangel bereits voll durch, bei mittleren und großen Betrieben sei er zumindest angekommen, so Schröder. Die Folgen für die Produktivität seien absehbar. „Man kann einen Auftrag nur abarbeiten, wenn man das nötige Personal dafür hat“, verdeutlicht die Agenturchefin. Ein Unternehmer aus einem benachbarten Agenturbezirk etwa habe ihr erst vor Kurzem erzählt, er fürchte um die Investitionen der Konzernmutter in seinen Standort, sollte er mittelfristig nicht genügend Nachwuchskräfte binden und damit die Produktivität seiner Depandance nachhaltig sichern können. „Es geht also durchaus auch um die Zukunft von Wirtschaftsstandorten.“
Laut der Industrie- und Handelskammer Potsdam (IHK) sind im Kammerbezirk Potsdam vor allem der Handel und der Dienstleistungssektor, dort vor allem das Hotel- und Gaststättengewerbe, betroffen. So würden derzeit über die Lehrstellenbörse der IHK unter anderem noch 100 Azubis für den Beruf des Einzelhandelskaufmanns und 91 für den Beruf des Hotelfachmanns gesucht. „Die Zahl der offenen Stellen steigt von Jahr zu Jahr“, berichtet Wolfgang Spieß, Leiter Geschäftsbereich Bildung bei der IHK.
Verschärfend kommt beim Hotel- und Gaststättengewerbe hinzu, dass viele Azubis vor dem Ziel das Handtuch werfen. Laut Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Bonn brechen allein bei den Köchen in Brandenburg mehr als die Hälfte der Lehrlinge ihre Ausbildung vorzeitig ab, bei den Hotelfachleuten sind es immerhin noch mehr als 40 Prozent.
Sorgen macht man sich aber auch in der Handwerkskammer Potsdam (HWK). „Es ist wirklich ein flächendeckendes, aber auch gewerkeübergreifendes Problem. Das fängt beim beliebten Beruf des Kfz-Mechatronikers an und reicht über die Metallbauer bis hin zum Dachdecker und zum Frisör. Es gibt wirklich keine Berufsgruppe, die sorgenfrei ist“, bestätigt Kammersprecherin Ute Maciejok.
Einer der Gründe für den Azubi-Mangel ist die demografische Entwicklung. Seit Jahren stagniert die Geburtenrate in Deutschland bestenfalls, nimmt tendenziell sogar eher ab. Zudem blutet das brandenburgische Hinterland nach wie vor durch Wegzug aus. Die Folge: Innerhalb von acht Jahren ist die Zahl der Schulabgänger im Land von 35 000 auf 17 000 gesunken. Weitere Gründe seien aber auch die oft schlechten schulischen Grundkenntnisse der Schulabgänger und die tief in der Gesellschaft verankerte Vorstellung, nur ein Studium ebne den Weg für eine glänzende Karriere, sind sich Schröder, Spieß und Maciejok einig. „Im vergangenen Jahr haben erstmals in Deutschland mehr junge Menschen ein Studium aufgenommen als eine Ausbildung begonnen“, sagt die HWK-Sprecherin. Gefordert sei auch die Politik im Land, die Berufsorientierung müsse dringend verbessert werden, „flächendeckend und kontinuierlich an allen Schulen“. Vor allem Gymnasien würden ihre Schüler zu oft nur auf ein späteres Studium trimmen, so Maciejok. „Es gibt auch sehr gute Karrierechancen nach Abschluss einer dualen Ausbildung“, sagt auch Spieß von der IHK.
Ob mit Abitur oder mit miesen Noten – Matthias Karstedt, Chef der Gebäudereingungsservice Potsdam Karstedt und Hahn GmbH in der Zeppelinstraße und Obermeister der Gebäudereinigerinnung Westbrandenburg, ist schon froh, wenn überhaupt jemand kommt. Fünf Azubis könne er ausbilden, gerade mal einen hat er schon. „Fünf andere Bewerber sind zum Vorstellungsgespräch erst gar nicht erschienen. Im vergangenen Jahr haben drei nach nur zwei Wochen ohne Ansage das Handtuch geschmissen“, berichtet der Dienstleister. Dabei hat Karstedt seine Anforderungen deutlich runtergeschraubt. „Wir wollen die jungen Leute, egal ob da zwei Fünfen auf dem Zeugenis sind, wir würden es ja versuchen“, beteuert er.
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