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Landeshauptstadt: „Leichte Opfer rechter Gesinnung“

Mehr als 4000 Demonstranten auf Luisenplatz / Äthiopischer Botschafter sprach Polizei Dank aus

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Innenstadt - Mit bunten Schals und vielen Transparenten haben gestern Nachmittag mehr als 4000 Potsdamer Solidarität mit dem Deutsch-Äthiopier Ermyas M. bekundet. Der dunkelhäutige Potsdamer wurde bei einem rassistischen Überfall in den Morgenstunden des Ostersonntags schwer verletzt und schwebt weiter in Lebensgefahr. Bei der gestrigen Kundgebung unter dem Motto „Potsdam bekennt Farbe“ rief Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) zu Zivilcourage auf. „Wir stellen uns der Gewalt und dem Hass entgegen“, sagte er.

Einen Aufruf, Gewalt nicht mit Gewalt zu beantworten, startete Martin Geyer auf der Kundgebung. Der „Doktorvater“ von Ermyas M. am Agrartechnischen Institut Bornim (ATB) forderte „mehr Toleranz und mehr Menschlichkeit von Links und von Rechts“. Geyer, zugleich stellvertretender Wissenschaftlicher Direktors des Leibniz-Instituts für Agrartechnik, machte die Gesellschaft für das Geschehene mitverantwortlich: Es sei eine Zeit, in der viele Jugendliche ohne Ziele, ohne Verantwortung und in einem sozial schlechten Umfeld aufwachsen würden und somit „leichte Opfer rechter Gesinnung“ seien. Im Raum Potsdam sind etwa 300 bis 500 ausländische Mitarbeiter in der Wissenschaft tätig, so Martin Geyer. Großen Beifall erntete er für seine Forderung nach „etwas weniger Spaßbad und etwas weniger Stadtschloss“ und für mehr Jugendarbeit und Prävention.

„Da müssen wir hinschauen, dazwischen gehen und Zivilcourage zeigen“ sagte Oberbürgermeister Jann Jakobs angesichts der alltäglichen Ausgrenzungen, Beleidigungen und Bedrohungen, von denen Potsdamer anderer Hautfarbe berichten. „Bitte achten Sie auf den alltäglichen Rassismus“, wandte er sich an die 4000 Demonstranten. Toleranz und friedliches Miteinander seien zwar etwas Selbstverständliches, „aber auch Selbstverständliches muss immer wieder neu und allen klar gemacht werden“, so Jakobs. In einem Text, den der evangelische Superintendent Bertram Althausen verlas, warnte die Familie des Opfers zudem vor einer Verharmlosung dieses „Verbrechens gegen Menschlichkeit und das friedliche Miteinander“.

Unter den Teilnehmern der Kundgebung fanden sich auch viele Prominente wie die Initiatorin des Holocaust-Mahnmals in Berlin, Lea Rosh, und mehrere Landesminister. Auch der äthiopische Botschafter war gekommen, der der Polizei für die schnelle Ergreifung der mutmaßlichen Täter dankte.

Im Anschluss an die Kundgebung zogen etwa 600 Menschen mit der Percussiongruppe „Sexta Feira“ über die Hegelallee zum Benefizkonzert am Nauener Tor. Ein junger Äthiopier aus Berlin hielt ein Plakat hoch, auf dem Ermyas M. abgebildet war: „Welcher Schwarze ist der nächste?“ stand darauf. Auf der Bühne am Nauener Tor hielt Melas T. eine klagende Ansprache, ging auf die Knie und prangerte den Alltagsrassismus in Deutschland an: Worte wie „Schwarzfahrer, schwarzes Schaf – das geht mir auf den Keks!“ Es werde alles so harmlos dargestellt, sagte er gegenüber den PNN über die Veranstaltung – das mache ihn wütend. jab/just

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