Von Nicola Klusemann: Leiter der China-Schule gekündigt
Potsdamer Lehrerehepaar floh vom Campus in Tainjin / Schillergymnasium: Die falschen Leute geschickt
Stand:
Die Entlassung kam überraschend. Über zwei Monate lang hatte das Lehrerehepaar Gabriele Markarian und Ulfrid Mattig aus Potsdam die Deutsche Auslandsschule des Schillergymnasiums im chinesischen Tainjin mit aufgebaut, da wurde den beiden von Direktor Andreas Mohry fristlos gekündigt. „Wir waren auf dem Campus eingesperrt“, schreibt die 14-jährige Tochter Josefine Markarian den PNN. Gleichzeitig sei ihre Familie aufgefordert worden, China innerhalb von 36 Stunden zu verlassen. Die Tickets für den Rückflug seien bereits vom Arbeitgeber ihrer Eltern gebucht gewesen. Josefine hält regelmäßig Kontakt zu dieser Zeitung und hat auch schon mehrere Artikel in der ihrer PNN–Serie „China und ich“ geschrieben.
Er habe die fünfköpfige Familie Markarian-Mattig nach der Aufhebung des Arbeitsvertrages nicht auf dem Schulcampus festgehalten, sondern sie vielmehr „vor behördlichen Zugriffen schützen“ wollen, erklärt der Potsdamer Privatschulleiter den PNN. Das Lehrerehepaar habe zwar für China eine einjährige Aufenthaltsgenehmigung, diese sei aber an einen Arbeitsvertrag gebunden, sagt Mohry. Mit der Kündigung sei der Aufenthalt der Familie illegal geworden, so der Schuldirektor, der mit einer Chinesin verheiratet ist. Deshalb habe er den Eltern geraten zu packen und nach Deutschland zurückzukehren. Sie seien aber zu keinem Zeitpunkt eingesperrt gewesen, so Mohry.
Die deutsche Familie nahm dies anders wahr: Nur mit Hilfe einer chinesischen Anwältin sei schließlich die Flucht vom Schulcampus geglückt, schreibt die 14-jährige Josefine. Inzwischen hat Mattig von China aus eine Kündigungsschutzklage eingereicht, die am kommenden Montag vor dem Potsdamer Arbeitsgericht verhandelt werden soll. Mohry wirft seinem ehemaligen Schulleiter unter anderem vor, sich bereits wenige Tage nach seiner Ankunft vor Ort bei anderen Schulen – auch bei der direkten Konkurrenzeinrichtung – nach einem Job erkundigt und sich auch sonst seinem Arbeitgeber gegenüber nicht loyal verhalten zu haben. Der pensionierte Lehrer bestreitet dies. Vielmehr habe er sich erst nach Alternativen umgeschaut, nachdem ihm gekündigt worden war. Den genauen Wortlaut des Kündigungsschreibens kennt Mattig aber nicht. Das wurde von Gymnasiumsdirektor Mohry nur auf Chinesisch verfasst, mit der Begründung, dass die Amtssprache in China Chinesisch sei.
Die deutsche Familie ist im Reich der Mitte geblieben. Sie lebt jetzt in einem kleinen Ort in Südchina, wo das Lehrerehepaar ehrenamtlich an einem alternativen Schulprojekt mitarbeitet. Ende August hatten die Fünf ihre Wohnung gekündigt, die Möbel eingelagert und waren nach Tainjin gereist. Die beiden Lehrer wollten dort gemeinsam mit weiteren vier Kollegen im Auftrag der German-Chinese Education Exchange Society – Träger des Schillergymnasiums – eine Schule für deutsche Kinder einrichten und mindestens ein Jahr in China bleiben. Dort sollten bis zu 300 Schüler ab der fünften Klasse nach deutschen Standards ausgebildet und bis zum Abitur geführt werden. Bis zum Schluss seien aber seine Kinder die einzigen drei Schüler geblieben, so Mattig. Er und seine Kollegen hätten ohne Bücher unterrichten müssen. Eine Kiste mit Lehrmaterial stehe immer noch im Keller des Drewitzer Privat-Gymnasiums.
Schillergymnasiumsdirektor Mohry räumt ein, dass der Aufbau der Schule nach deutschem Vorbild langsamer verlaufe „als gedacht“. Deshalb würden er und seine Frau im Januar nach Tainjin fliegen, um bei dort ansässigen deutschen Firmen erneut für die Einrichtung zu werben. Inzwischen habe er einen neuen Schulleiter eingesetzt, der zuvor mehrere Jahre in Potsdam tätig war. Auch die anderen vier Lehrkräfte, die zeitgleich mit Gabriele Markarian und Ulfrid Mattig in Tainjin angekommen waren, sind nicht mehr dort. Sie seien gegangen, weil „der Arbeitgeber alle Absprachen“ gebrochen habe, teilt Nancy Cosar, die zusammen mit ihrem Mann Harkan und Kind in China war, den PNN mit. Nach dreieinhalb Wochen „setzte uns der Arbeitgeber davon in Kenntnis, dass er weder den in Deutschland geschlossenen Vertrag einhalten, noch die vereinbarte Gehaltserhöhung zahlen und zu alle dem das Schulgeld für unser Kind von 200 auf 395 Euro erhöhen wird.“ Da hätten sie die Rückreise angetreten, schreibt Nancy Cosar. Mohry bestreitet die Vorgänge. Seine Version: Die Familie Cosar sei mit den hygienischen Verhältnissen auf dem Campus nicht zurecht gekommen. Er habe sich jedenfalls korrekt verhalten. „Das einzige, was ich mir bei der ganzen Sache vorwerfe, ist, dass ich die falschen Leute nach China geschickt habe“, sagt Mohry.
Nicola Klusemann
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: