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Landeshauptstadt: Leon, der Profi

Zehn Polizeihunde tun in Potsdam ihren Dienst: Nach 16 Wochen Ausbildung sind sie Sprengstoffexperten

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Wer bei der Polizei etwas werden will, muss nicht nur die Polizei-Fachhochschule absolviert haben, sondern vor allem gut riechen können. So wie Sprengstoffexperte Leon, der schon aus zehn Metern Entfernung ein Glas Nutella im Küchenschrank erkennen würde. Denn die feuchte Nase des Polizei-Schäferhundes hat bis zu 350 Millionen Riechzellen, die seiner Führerin Madelaine Siebert dagegen nur zehn Millionen. Die beiden spüren in Wohnungen von kriminellen Potsdamern Waffen und Munition auf, durchsuchen Gebäude oder Gegenstände nach Sprengstoff – und sei es nur ein herrenloser Koffer, der einen falschen Bombenalarm ausgelöst hat.

„Wir zwei sind ein Team“, sagt Polizistin Siebert über sich und Leon. Und das nicht nur bei der Arbeit. Nach Feierabend verwandelt sich die Polizei-Hundeführerin in Frauchen. Leon wohnt bei ihr zu Hause. Die Zwinger für die insgesamt zehn Polizeihunde in der Kaiser-Friedrich-Straße in Eiche stehen meistens leer, sagt der „Koordinator des Diensthundewesens“, Polizeihauptmeister René Sehmisch. Im Haus des 32-Jährigen leben insgesamt fünf Hunde: Sein Polizei-Fährtenhund Willy, der Hund seiner Freundin, der auch bei der Polizei arbeitet und drei „Privathunde“. Andere gingen zum Fußball, er habe das „Hobby Hund“, meint Sehmisch. Nur wenn einer der zehn Potsdamer Diensthundeführer mal für ein Wochenende verreist, müssen die Vierbeiner auf dem Polizeigelände bleiben. Aber dann würden sich die Kollegen „intensiv“ um sie kümmern. In der Regel jedoch nehmen alle ihre Hunde mit in den Urlaub, betont Sehmisch. Denn die vier Polizistinnen und sechs Polizisten mit den kaltschnäuzigen Partnern „hängen mit dem Herz“ an ihren Tieren.

Während das Geschlechterverhältnis bei den Führern relativ ausgeglichen ist, gibt es unter den Polizeihunden im Schutzbereich Potsdam nur eine Hündin. „Nicht wegen der Leistung“, so Sehmisch, sondern „wegen der Hitze“. Bis zu dreimal im Jahr verspüren Hundeweibchen den Drang zur Fortpflanzung und sind dann schwer zu bändigen. Doch nicht nur das Geschlecht spielt eine Rolle bei der Wahl der Hunde. Die Tiere müssen kerngesund sein, eine Schulterhöhe von mindestens 55 Zentimetern haben und ihrer Rasse nach den Gebrauchshunden angehören. Boxer, Riesenschnauzer und Schäferhunde wie Leon sind erlaubt. Kleinere Hunde könnten zwar auch ganz schön giftig sein, aber beeindrucken eventuelle Verbrecher doch nicht so stark wie es in gefährlichen Situationen angemessen ist, glaubt Sehmisch. Außerdem müssen sie in der Lage sein, ihre Führer zu beschützen. Erst dann dürfen sie ihren Dienst bei der Potsdamer Polizei antreten. Vor ihrer Spezialisierung zum Fährten-, Rauschgift- oder Sprengstoffhund werden sie darum mit zwei Jahren an der Polizei-Fachhochschule zu „Schutzhunden“ ausgebildet. Sie begleiten die Potsdamer Polizisten vor allem bei Einsätzen in Fußballstadien und auf Demonstrationen. Dabei stürzen sie sich auf jeden, der ihre Führer angreift. Aber: „Wir haben hier keine Killerhunde oder Beißbestien“, wehrt Sehmisch ab. Es sei schon Jahre her, dass einer gebissen habe. Die Hunde der Potsdamer Polizei seien nämlich „sozial erzogen“, erklärt er. Sie würden die Tiere sogar in Kindergärten und Schulen vorführen. Die Kinder konnten sie bisher immer problemlos streicheln.

Auch Leon steht auf Liebkosungen, am meisten scheint er es jedoch zu lieben, wenn Frauchen mit ihm spielt, dann winselt und fiepst er vor Freude. Dass Sprengstoffhunde besonders verspielt sind, ist laut Siebert äußerst wichtig. Denn dass Suchen nach den Explosionsmitteln sei für Leon reines Spiel – allerdings ein anstrengendes, wie „Hochleistungssport für Menschen“. Man hört ihn schon von weitem schnüffeln. Lang und laut saugt er die Luft durch die Nase ein. Dabei riecht er nicht besser, sondern einfach nur intensiver als Menschen, sagt Sehmisch. Wie aber lernt er die Sprengstoff-Gerüche zu unterscheiden und sich zu merken? „Na, mit seinem Spielzeug!“, sagt Madelaine Siebert und meint die angesabberte Lederhülle in Leons Maul. In die schiebt sie eine Plastikröhre mit kleinsten Mengen der Explosionsmittel. Dann wird es versteckt und der Hund sucht es. Denn er will es unbedingt haben – „sein Beutetrieb ist extrem ausgeprägt“, so Siebert. Jedesmal, wenn er nun Sprengstoff riecht, erinnere er sich an sein Spielzeug und denkt: „Das ist meins!“, erklärt die 28-jährige Polizistin. Das Schwierige dabei: Leon darf weder kratzen noch bellen und vor allem nicht versuchen, sein vermeintliches Spielzeug zu apportieren. Es könnte ja eine Bombe sein. „Darum nehmen wir dafür auch keine Tollpatsche“, so Siebert. 16 Wochen dauert es, einen Hund an der Fachhochschule zum Sprengstoffschnüffler auszubilden, ebenso viele Explosionsmittel kann Leon nun am Geruch erkennen.

Wenn er eins gefunden hat, macht er still Sitz und wartet ab. Im Ernstfall würde seine Führerin jetzt die Sprengstoffexperten des Landeskriminalamtes zu Hilfe rufen. Beim Training geht sie jedoch einfach zu ihm und lässt unauffällig die Lederhülle fallen. Leon freut sich, dass er sein Spielzeug endlich zwischen die Zähne nehmen darf und mit Frauchen toben kann. Er springt begeistert an Madelaine Siebert hoch, die lobt ihn: „Du bist ein Held, du bist ein Held“, ruft sie und tätschelt liebevoll sein Fell.

Neulich erst haben die beiden gemeinsam die Orangerie in Sanssouci gesichert. Wegen des Mediengipfels M100 kam Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Besuch. Jeden Winkel hat Leon nach Sprengkörpern beschnuppert – von unten nach oben. Denn „Bomben liegen meist am Boden“, erklärt Sehmisch. Im Einsatz hat Leon bis auf zwei Waffen bisher aber noch nie etwas gefunden. Trotzdem kann er stolz auf sich sein, wenn er demnächst in Rente geht – „auch wenn man seinen Erfolg nicht zählen kann“, findet Siebert. Aber immer, wenn in den Nachrichten die Veranstaltungen mit den hohen Persönlichkeiten gezeigt werden weiß sie, dass Leon gut gearbeitet hat.

Mit seinen neun Jahren ist er mittlerweile sogar ein Jahr länger im Amt als für brandenburgische Polizeihunde üblich. Seine Schnauze wird schon langsam grau. Auch wenn er bald nicht mehr mit Siebert morgens zur Polizei nach Eiche fährt, wird er seine Führerin nach fast sieben gemeinsamen Jahren nicht vermissen müssen. Seine Pension wird er bei ihr zu Hause genießen. Tierarzt- und Versicherungskosten zahlt das brandenburgische Innenministerium, dessen Eigentum Leon bleibt. Der Polizeihund a.D. erhält sogar eine kleine Rente: 25 Euro monatlich für Futter. Und vielleicht auch für ein neues Spielzeug – eins, das mal nicht nach Bomben duftet.

Juliane Wedemeyer

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