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Aus dem GERICHTSSAAL: Letzte Chance für Stromdieb Fünffacher Vater hat bereits 17 Vorstrafen

„Der Angeklagte ist der klassische Hühnerdieb. Seine Straftaten liegen im unteren Bereich.

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„Der Angeklagte ist der klassische Hühnerdieb. Seine Straftaten liegen im unteren Bereich. Er hat Probleme, Regeln und Normen einzuhalten“, schätzte die Bewährungshelferin ein. Anfang November 2013 hatte es Mario M.* (35) ein scheinbar herrenloses Kinderfahrrad angetan, das seit Tagen ungesichert vor dem Hauptbahnhof stand. Er nahm es mit, schließlich hat er bereits fünffachen Nachwuchs. Um diese Zeit war auch das Geld im Haushalt knapp. Die Stromrechnung konnte nicht bezahlt werden. Die Energieversorgung hatte ihre Leistung eingestellt. Da kam Mario M. auf die Idee, den Zähler zu manipulieren. Für kurze Zeit funktionierte die elektrische Beleuchtung wieder. Auch der Kühlschrank des schmächtigen Hartz-IV-Empfängers lief.

Jetzt saß der bereits wegen Diebstählen, Körperverletzung, Raub, Unterschlagung, Hausfriedensbruchs, Bedrohung, Widerstandes gegen die Staatsgewalt und mehrfachen Fahrens ohne Erlaubnis Verurteilte erneut auf der Anklagebank. Die 18. – und hoffentlich letzte - Eintragung im Bundeszentralregister des Ungelernten lautete auf Unterschlagung und Entziehens elektrischer Energie. Mario M. war die Reue in Person und versicherte, nun endlich Verantwortung für sich und seine Familie übernehmen zu wollen. Er habe eine neue Lebensgefährtin. Das gemeinsame Kind sei gerade vier Wochen alt. Obwohl der unter Bewährung Stehende zu spät zur Verhandlung kam – er hatte verschlafen –, glaubte Amtsrichterin Bettina Thierfeldt seinen Beteuerungen und verhängte eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten, ausgesetzt zu zweijähriger Bewährung. Der Staatsanwalt hatte Haft gefordert. Verteidiger Hans-Jürgen Kernbach gab zu bedenken, die neue Frau gebe seinem Mandanten Kraft. Er sei bei der Geburt dabei gewesen. Eine Gefängnisstrafe würde den eingeschlagenen positiven Entwicklungsweg zerstören. Zudem sei der angerichtete Schaden mit knapp hundert Euro für das Fahrrad und 33 Euro entzogener Elektroenergie nicht immens.

„Die Bewährung aus der letzten Straftat läuft sehr gut“, betonte die zuständige Mitarbeiterin. „Mario M. nimmt Unterstützung an. Manchmal sagt er allerdings, er braucht keine Hilfe. Noch scheint mir alles nicht so richtig geregelt. Schlechte Stimmungen trinkt er mit Alkohol weg.“ Der Zehn-Klassen-Förderschulabgänger sei ein „überwiegend freundlicher, umgänglicher Mensch“, der keine großen Ziele habe. „Er hat kaum Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt und fühlt sich als Hausmann am wohlsten. Ich gehe nicht davon aus, dass er in Zukunft schwere Straftaten begehen wird“, so die Sozialarbeiterin.

„Der Bericht der Bewährungshelferin war ausschlaggebend für meine Entscheidung“, führte die Vorsitzende in ihrer Urteilsbegründung aus. „Außerdem gab es in den letzten Monaten keine erneute Straftat. Ich denke, dem Angeklagten ist inzwischen klar geworden, dass er bereits mit einem Bein im Gefängnis steht.“ Mario M. nahm das Urteil erfreut zur Kenntnis. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab. Noch kann er Rechtsmittel einlegen. Dann gibt es eine neue Verhandlung vor dem Landgericht. (*Name geändert) Hoga

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