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SAMSTAGScocktail: Letzter Feind

Es ist schön, vom Pressluftbohrer geweckt zu werden, vom Geklimper der Hämmer, mit denen Pflastersteine in den Gehweg geklopft werden, dem Dröhnen der Rüttelplatte, die das Ganze bis in alle Ewigkeit (also ungefähr bis zum nächsten Frühjahr) feststampft. Es ist schön, wenn man auf Füßen oder Rädern ungehindert übers glattpolierte Pflaster vorankommt, ohne dass etwas heraus- oder übersteht.

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Es ist schön, vom Pressluftbohrer geweckt zu werden, vom Geklimper der Hämmer, mit denen Pflastersteine in den Gehweg geklopft werden, dem Dröhnen der Rüttelplatte, die das Ganze bis in alle Ewigkeit (also ungefähr bis zum nächsten Frühjahr) feststampft. Es ist schön, wenn man auf Füßen oder Rädern ungehindert übers glattpolierte Pflaster vorankommt, ohne dass etwas heraus- oder übersteht. Wer würde nicht aufatmen, wenn der Hof hinterm Haus, über den die Lastenkutscher mit ihren Fuhrwerken vor 100 Jahren hinausfuhren, endlich begradigt und mit frischen Ziegeln ausgelegt wird? Wenn Kinder beim Rennen nicht über schiefe Steine straucheln und sich die Knie aufschlagen (Gott bewahre!), man sich nicht in Wurzelwerk verheddert, hängenbleibt an Sträuchern, Hecken oder Efeugewirr, wenn den Blick nichts mehr stört? Wären da nicht die Blätter. Das Laub, der letzte Feind: Es liegt herum.

Der Hauswart in meiner Nachbarschaft hat zu seinem Laubbläser ein fast melancholisches Verhältnis. Sanft und versonnen schwenkt er das Rohr ein wenig nach links, ein wenig nach rechts. Da, das kleine gelbe Blatt, wird auch noch rübergepustet, ein paar Meter weiter, zur nächsten Hausnummer. Leicht erschöpft von der Arbeit lehnt er am Zaun, sieht sich um und lässt den Bläser, eine Art überdimensionale Zigarette, ein Loch in die Luft brennen.

Im Park gleich um die Ecke jagen mich ein Geschwader Traktoren, die Mähdreschern ähneln, Trimmer, elektrische Baumsägen, Flammenwerfer (zum Wegbrennen herausstehender Grashalme), akkubetriebene Wasserspritzen (zum Reinigen von Steinmauern) Als junger Mensch habe ich einen Sommer als gärtnerische Aushilfe in Sanssouci verbracht. Das Equipment der Brigade bestand aus ein paar Harken, Hacken und Schaufeln. Angesichts des Missverhältnisses zwischen Ausmaß und Machbarkeit der anfallenden Arbeit setzte sich der Trupp meist gleich an den Brunnen, man neckte sich mit Brennnesselstielen oder vertrieb sich die Zeit damit, vor einer Wespe die Hauptallee hinunterzuflüchten. Manchmal harkten wir auch. So ähnlich wie der Mann, neulich abends bei uns im Viertel. Er fegte in der Dunkelheit Blätter zu Haufen zusammen, die vom Wind sofort wieder auseinandergeblasen wurden. Was den Mann nicht störte. Er fegte. Mit einem Besen! Ein ganz und gar widersinniges Verhalten, wie ich von einer älteren Dame in der Nachbarschaft höre. Dieser Mensch sei mechanisch depressiv!

Unsere Autorin lebt in Potsdam. Ihr neuer Roman heißt „Selbstporträt mit Bonaparte“.

Julia Schoch

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