Landeshauptstadt: Licht, Luft und Räumlichkeit
Platz für 2700 Studierende: Hörsaal- und Seminargebäude der Uni Potsdam in Griebnitzsee eröffnet
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Der Kontrast hätte kaum deutlicher werden können. Wenn man vom Hauptgebäude am Uni-Campus Griebnitzsee durch einen halb unterirdischen Gang in den gestern eröffneten Neubau gelangt, betritt man eine neue Welt. Hier noch die Patina der Holztüren und die Marmoroptik des ehemaligen Roten-Kreuz-Baus aus der Nazizeit und dort plötzlich Sichtbeton, Glas und Stahl, eingepackt von unbescholtenen roten Klinkerwänden.
Man habe den Kontrast bewusst gesucht, sagte gestern der Architekt Carl Schagemann. Dazu wurde als „Durchbrechung“ ein Durchgang geschaffen, der vom alten Gebäude in das neue führt. Der Gang, der das Hauptgebäude mit einer Betonwand von außen geradezu aufschneidet, hat an der Eröffnung gestern Morgen schnell den Namen „Rampe“ weg. Die architektonische Idee gefällt nicht jedem. Die Dekanin der juristischen Fakultät, Prof. Dorothea Assmann, wünscht sich etwa eine andere Gestaltung der „Rampe“. Architekt Schagemann stört die Kritik aber kaum, es sei gut, wenn über Architektur gesprochen werde, wenn man sich daran reibe. Letztlich sei die „Durchdringung“ als ein Zeichen der Interpretation der NS-Architektur gemeint. Sicherlich auch nur ein kleiner Stein des Anstoßes, besieht man die großzügige Bauweise, die Luft, das Licht und die Räumlichkeit dieses 24 Millionen Euro teuren Neubaus, der den Studierenden der Juristischen sowie Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät nun 5400 Quadratmeter Nutzfläche inklusive modernster technischer Ausstattung bietet.
Immer wieder bleibt man stehen und staunt. Etwa über den kleinen Innenhof mit Tischchen, eingemauert in meterhohe Betonwände, geradezu wie ein Gefängnishof und irgendwie doch reizvoll. An der Waschbetonwand eine merkwürdige Narbe: der Zufall habe die Schattierung beim Bau entstehen lassen, erzählt der Architekt. Ein befreundeter Bildhauer habe das Zeichen als das „pulsierende Herz“ der Universität gesehen. Oder wenn man die kleineren von den insgesamt sieben Hörsälen betritt: in die Erde eingemauert erinnern sie an die unterirdischen Kinos des Potsdamer Platzes. Heiz- und Kühlung besorgt hier ein aus der Antike stammendes System, Hypokaustum genannt. Kilometerlange Rohre, die über die Temperatur des Erdreichs das Raumklima regulieren: 100 000 Kilowatt Energieeinsparung lässt sich laut Architekt Schagemann so im Jahr erzielen.
Im Mittelpunkt stand gestern aber vor allem die enorme Erleichterung, die für die Jurastudenten und das Sprachenzentrum der Universität durch den imposanten Neubau geschaffen wurde. „Die Studienbedingungen verbessern sich nun erheblich“, sagte Jura-Dekanin Assmann. Die Räume im Park Babelsberg sollen zugunsten der sieben Hörsäle mit 1790 Plätzen und 18 Seminarräume mit insgesamt 900 Plätzen nach und nach aufgelöst werden. Für die Studierenden eine erhebliche Zeitersparnis, mussten sie doch bislang quer durch Babelsberg pendeln.
Mit 800 Plätzen befindet sich jetzt der größte Hörsaal der Universität Potsdam am Campus Griebnitzsee. Er ist in zwei kleinere, jeweils 400 Plätze umfassende Hörsäle teilbar. Die rund 2700 Studierenden der Juristischen sowie Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät können jetzt „unter modernsten Bedingungen“ studieren, betont die Uni. Das gilt auch für das Sprachenzentrum, hinzu kommt eine sanierte und erweiterte Mensa.
Über 15 Jahre hatte die Idee für eine Erweiterung der Universität in Griebnitzsee bereits existiert, ganze sieben Jahre haben die Architekten geplant und modifiziert. Nun nehmen die Studierenden ihre „neue Uni“ schnell in Beschlag. Wenige Stunden nach der Eröffnung sind die Hörsäle und Aufenthaltsecken dicht besetzt, auf den Bänken im Foyer haben Studierende sich niedergelassen und ihre Laptops in die LAN-Buchsen gestöpselt. Im Hof sitzen Kommilitonen zwischen herbstlichem Laub. Bleibt die Sorge der Jura-Dekanin Assmann, dass das neuen Gebäude bald schon wieder zu klein sein könnte. Denn mit 776 neu immatrikulierten Jurastudenten habe sich die Anzahl der Anfänger nahezu verdoppelt. „Im nächsten Jahr brauchen wir wieder eine Zulassungsbeschränkung“, so die Dekanin.
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