Landeshauptstadt: Lieber aufgeben als Kitsch verkaufen
Buchclub wird Nachmieter im Dürer-Haus auf der Brandenburger Straße
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Buchclub wird Nachmieter im Dürer-Haus auf der Brandenburger Straße Innenstadt - „Mit dem Verkauf von Billigware hätten wir vielleicht noch eine Weile überlebt.“ Nachdenklich stehen Hans-Ulrich Gordan und seine Frau Rosemarie in ihrem Geschäft. Das Dürer-Haus in der Brandenburger Straße 18 ist für die Potsdamer seit Jahrzehnten eine Adresse für niveauvolle Geschenkartikel. Die blaue Keramik mit den weißen Punkten aus Thüringen und Bautzen ist heute noch genauso beliebt wie die Formen und Muster der Hedwig-Bollhagen-Teekannen. Als Rosemarie Gordan am Freitag die Ausverkaufsschilder ins Schaufenster stellte, bestätigte sich das. Die Potsdamer Geschäftsleute erklärten ihren Stammkunden sichtlich bewegt, warum sie aufgeben. Hans-Ulrich Gordan hat es in dem Moment gewusst, als er einen Schlaganfall bekam. „Kein Wunder“, sagt er jetzt, „die Existenzsorgen haben mich fertig gemacht.“ Und sein Vater, Ernst-Jürgen Gordan, ergänzt: „Was der Sozialismus in 40 Jahren nicht geschafft hat, brachte die neue Zeit mit sich.“ Die Miete für das Geschäft kletterte nach der Wende von 250 Mark auf das Zehnfache. Die Stadt bot das Haus 1998 zum Verkauf an, und die Gordans hofften, so dem sprunghaften Mietanstieg zu entkommen. Sie steckten viel Geld und Kraft hinein. Aber die Billigkonkurrenten auf dem Potsdamer „Broadway“ überrollten die alteingesessenen Fachgeschäfte wie eine Lawine. Die privaten Geschäftsleute versuchten alles, auch, sich an die Öffnungszeiten der großen Ketten anzupassen. Doch Rosemarie Gordan, die täglich von 9 bis 19 Uhr im Laden steht, merkte schnell: „Sonntags wird nicht gekauft, nur gebummelt.“ Auch die Preise ließen sich nicht beliebig hochschrauben, um zu überleben. „Es ist zu merken, dass das Geld bei den Leuten nicht mehr locker sitzt. Erst verunsicherte der Euro die Menschen, jetzt merkt man, dass Hartz IV die Leute ärmer macht“, sagt Gordan. „Die Ellbogenmentalität liegt uns nicht“, fasst der Senior zusammen. „Wir hatten immer Freude an den Dingen, die wir ein- und verkauften.“ Jetzt herrscht nach zwei Tagen Räumungsverkauf gähnende Leere im Laden. Das tue weh, aber endlich sei auch der Druck weg. Am 15. November zieht der Bertelsmann-Buchclub als Nachmieter ein. Die Gordans meinen: „Lieber aufgeben als Kitsch verkaufen.“ Die Tradition der Dürer-Häuser verraten sie nicht. Diese fühlten sich in vielen Städten seit den 20er Jahren dem Kunsthandwerk verpflichtet, nicht dem Kitsch. Brigitte Einbrodt
Brigitte Einbrodt
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