zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Lieber Party statt Weihe

Nicht nur wegen zurückgehender Schülerzahlen sinkt die Teilnahme an weltlichen Jugendweihen

Stand:

Immer weniger Jugendliche wollen zur Jugendweihe: Von den rund 1150 in Frage kommenden 14-Jährigen hat sich in Potsdam nur noch die knappe Hälfte dafür entschieden, auf diese Weise den Übergang vom Kindes- ins Jugendalter zu feiern. Dieses Jahr hätten sich bisher nur 500 Jugendliche beim Humanistischen Verband Potsdam/Potsdam-Mittelmark angemeldet – darunter 280 Potsdamer. Früher gingen dort rund 2000 Anmeldungen ein, so Geschäftsführerin Martina Winkler.

Sie führt dieses Schrumpfen auf die sinkenden Schülerzahlen zurück. Aber auch die Festrednerliste weist nicht mehr die prominenten Namen vergangener Jahre auf. Bei den zwischen dem 29. April und 27. Mai im Schlosstheater und im Nikolaisaal stattfindenden Veranstaltungen, treten der PDS-Politiker Rolf Kutzmutz und die Kabarettistin Gretel Schulze auf, aber kein Stolpe, kein Platzeck und auch kein Jakobs mehr. Der Verband habe sich erst gar nicht um Promis bemüht, so die Sprecherin der Potsdamer Stadtverwaltung, Regina Thielemann. Dies sei jedoch kein Beinbruch, die Ansprache von Schulze könne durchaus unterhaltsamer ausfallen als eine des Oberbürgermeisters, so Thielemann.

Doch die 14-Jährigen durch ein anspruchvolles Programm mit weltanschaulichen, kulturellen und lebenskundlichen Themen auf dem Weg ins Jugendalter zu begleiten, verlöre immer mehr an Bedeutung. Die wenigen verbliebenen Veranstaltungen werden nicht einmal von der Hälfte der Angemeldeten wahrgenommen. Hauptsache sei für sie die abschließende Party. Diese Erfahrung macht auch Stadtkirchenpfarrer Markus Schütte. Zwar sei die Zahl der Konfirmanden mit 185 gegenüber dem Vorjahr konstant geblieben, trotzdem glaubt Schütte, dass „die gerade in diesem Lebensabschnitt so wichtige Vermittlung moralischer und sozialer Werte in vielen Familien unterschätzt“ werde. Auch andere Jugendweiheanbieter finden kaum Teilnehmer. Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) bekam in diesem Jahr gerade mal eine 24-köpfige Gruppe zusammen und holt für diese Bürgermeister Burkhard Exner als Festredner zur Feier Anfang Mai ins Filmmuseum. Der Verein „manne e.V.“ gewann für seine mit einem aufwändigen Programm verbundene „Phoenixzeit“ speziell für Jungen kaum mehr Jugendliche. Und den von der CDU-Bundestagsabgeordneten Katherina Reiche initiierte Verein „Maiglocke“, der Jugendweihen auf der Grundlage christlicher Wertvorstellungen anbietet, gibt es in Potsdam gar nicht mehr, sondern nur noch in Berlin.

Der Humanistischen Verband war nach der Wiedervereinigung in die Bresche gesprungen, die die 1954 von der DDR dekretierte Jugendweihe hinterlassen hatte. Aber bereits Ende des 19. Jahrhunderts hatten Freidenker das weltliche Fest eingeführt, das später von der Arbeiterbewegung übernommen worden war. Seit der Wende bietet nun der Humanistische Verband nicht konfessionell gebundenen Eltern an, ihren Kindern einen feierlichen Übergang in die neue Lebensetappe zu ermöglichen. Neuere Jugendweihe-Anbieter werfen dem Verband eine an die SED-Zeit anknüpfende antireligiöse Tendenz vor. Erhart Hohenstein

Erhart Hohenstein

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })