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Landeshauptstadt: Liebes Stiefmonster
Die Theatergruppe des Suttner-Gymnasiums verballhornt mit „Schneekäppchen“ Märchen
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Als Schneewittchen (Henrike Kremkau) mit einer McDonald’s-Tüte in der Hand hereinkommt, grüßt sie kurz: „Hallo, liebes Stiefmonster!“ Die Stiefmutter guckt sie abschätzig an: „Wie kann man sich nur den ganzen Tag mit so einem Fraß vollstopfen und hinterher immer noch so aussehen?“ Im neuen Stück der Theatergruppe „Theater ohne Grenzen“ des Babelsberger Bertha-von-Suttner-Gymnasiums werden die Grimmschen Märchen gehörig auf die Schippe genommen: „Schneekäppchen“ heißt die Fusion der beiden wohl bekanntesten Märchenfiguren – und die Theatergruppe hat ihnen einen fetzigen Anstrich verpasst. Die Frau Königin steht vor ihrem Spiegel und fragt, ob ihre Nahrungsmittel auch Bio sind. Schließlich schickt die garstige Stiefmutter, die auch Schneewittchens Kundenkonto beim Pizzaservice sabotiert, das Mädchen zusammen mit einem Jäger in dem Wald, der sie töten soll – ausgerechnet am Tag des Endvotings von „Germanys Next Topmodel“! Der Jäger hat jedoch ein Einsehen und lässt sie frei, das versprochene Herz für die Königin besorgt er kurzerhand in einer Metzgerei: „Das ist nicht Bio“, moniert der sprechende Spiegel natürlich. Schneewittchen trifft unterdessen auf die Sieben Zwerge. Die sind zwar eigentlich nur zwei Zwerge, glauben aufgrund einer Persönlichkeitsstörung aber, zu siebt zu sein. Später kommt noch Rotkäppchen (Tessa Stephan) hinzu – eine handysüchtige Göre, deren größte Sorge es ist, im Wald kein Netz zu haben.
„Die Idee, ein Märchen aus dem ursprünglichen Kontext zu lösen und in die heutige Zeit zu versetzen, hatten wir schnell“, sagt Alexandra Förster, die einen der Zwerge spielt. Nach dem ersten Stück, dessen Handlung im Zweiten Weltkrieg spielte, sollte diesmal auf jeden Fall etwas Witziges aufgeführt werden. „Schneekäppchen“ ist das dritte Stück der Theatergruppe, wobei das zweite gar nicht erst zur Aufführung kam: Zu viele Leute sprangen ab, also musste ein neues Stück her – mit weniger Beteiligten, sagt Alexandra Förster während der Probe am Montagnachmittag. Sechs Stammspieler zählt die Gruppe von Zehntklässlerinnen, Verstärkung gibt es noch von einigen Siebtklässlern, die Statistenrollen übernehmen. Die Aufregung ist groß, am Donnerstagabend soll das Stück zum ersten Mal aufgeführt werden, am Nachmittag davor gibt es die Generalprobe: Die Mathe-Stunde wird wohl für die Nachwuchsschauspieler ausfallen.
Hinter der Theatergruppe steckt Maik Wienecke, der als Ersatzlehrer am Babelsberger Gymnasium den Kurs Darstellendes Spiel leitete. Mittlerweile arbeitet er nicht mehr dort, um die Theater-AG kümmert er sich trotzdem noch – er macht das Licht, ist Souffleur, hat die Texte zum Stück geschrieben und führt Regie. „Außerdem kann Maik tausendmal besser spielen als wir alle zusammen“, sagt Tessa Stephan im Rotkäppchen-Kostüm. Wienecke winkt ab, ihm gefällt die Rolle hinter der Bühne ganz gut, dass er selbst Theater gespielt hat, sei schon eine ganze Weile her. Jetzt hadert er mit dem Licht, das erst nicht an- und dann nicht ausgehen will. Bis Donnerstag wird aber auch die Technik funktionieren.
Allein ist die Theatertruppe am Montagnachmittag jedoch nicht, auf der Homepage des studentischen Kulturzentrums Kuze ist die Probe fälschlicherweise als Aufführung angekündigt – und lockt eine Geburtstagsgesellschaft etwas älterer Damen und Herren auf der Suche nach Kultur in den Theatersaal. „Wir waren damals in der Schule selbst in einer Theatergruppe“, frohlockt die Runde. Damals, als es noch keine handysüchtigen Rotkäppchen und fastfoodverrückten Schneewittchen gab. Oliver Dietrich
„Schneekäppchen“ am Donnerstag, 22. Januar, 18 Uhr, sowie am 26. und am 29. Januar im Kuze-Theatersaal, Hermann-Elflein-Str. 10. Eintritt 2 Euro.
Oliver Dietrich
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