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Rückendeckung. Der frühere Stasi-Spitzel Hans-Jürgen Scharfenberg kann Oberbürgermeisterkandidat werden, ginge es nach seinem Kreisvorstand. Er sei offen mit seiner Vergangenheit umgegangen, so Kreischef Günther Waschkuhn.

© Andreas Klaer

Von Jan Brunzlow: Linke steht hinter Scharfenberg

Kreis-Chef Waschkuhn: Ex-IM kann Oberbürgermeister werden / Jakobs soll sich entscheiden

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Die Potsdamer Linke sieht in der Kandidatur eines früheren informellen Mitarbeiters der DDR-Staatssicherheit als Oberbürgermeister der Landeshauptstadt kein Problem. „Wenn jemand offensiv mit seiner Vergangenheit umgegangen ist, dann kann er sich den Wählern stellen“, sagte der Kreisvorsitzende der Linken Günther Waschkuhn gestern. Dies gelte sowohl für Hans-Jürgen Scharfenberg als auch für andere Mitglieder der Linken. Hans-Jürgen Scharfenberg erklärte, er stehe als Kandidat zur Verfügung. Allerdings muss die Basis der Partei bei einem Nominierungsverfahren vermutlich im Juli darüber entscheiden. Potsdam Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) hatte in einem Interview mit dieser Zeitung erklärt: „Ich halte es nicht für richtig, würde ein ehemaliger Stasi-IM Oberbürgermeister“.

Der Fraktionschef der Linken in der Stadt, Hans-Jürgen Scharfenberg, wird in den Akten der Birthlerbehörde von 1978 bis 1985 als IM „Hans-Jürgen“ geführt. Er hat in dieser Zeit Berichte über Kollegen, Vorgesetzte und Nachbarn verfasst. „Der IM ist schwerpunktmäßig unter den jungen Wissenschaftlern der ASR eingesetzt“, schrieb Hauptmann Jürgen Genrich im Februar 1982 über Scharfenberg. ASR ist die Abkürzung für die Akademie für Staat und Recht in Babelsberg, an der Scharfenberg studierte sowie später als wissenschaftlicher Mitarbeiter arbeitete und promovierte. Seine Tätigkeit wurde im Rahmen der Überprüfung der Stadtverordneten Anfang der 1990er Jahre selbst öffentlich gemacht. Eine Überprüfungskommission, der Vertreter verschiedener Fraktionen sowie die damalige Stadtpräsidentin Birgit Müller – damals PDS – angehörten, sprach sich nach PNN-Informationen weder für einen Freispruch Scharfenbergs noch gegen eine Sanktion aus. Seitdem hat Scharfenberg mehrfach für den Landtag, für die Stadtverordnetenversammlung sowie einmal für das Oberbürgermeisteramt kandidiert. Dabei unterlag er im Jahr 2002 in der Stichwahl mit nur 124 Stimmen gegen den heutigen Amtsinhaber Jann Jakobs (SPD).

Die Linke hat daher kein Problem mit der Vita Scharfenbergs, sollte er der Oberbürgermeisterkandidat werden. „Wie jemand mit seiner Biografie umgeht, ist das entscheidende“, sagte Waschkuhn, Ex- Gewerkschafter und früheres SPD-Mitglied. „Was nicht geht, ist Verheimlichung“, so der Kreisvorsitzende. Die Wähler müssten wissen, mit wem sie es zu tun haben. Sie seien der Maßstab, „nicht Frau Wanka oder Herr Jakobs“, so Waschkuhn. Er plädierte für eine differenzierte Aufarbeitung, ohne etwas zu verdrängen oder zu vergessen. Auch der frühere Bundestagsabgeordnete Rolf Kutzmutz, seinerzeit IM „Rolf“, erklärte: Die Art und Weise der Enthüllungen diskreditiere das Anliegen. Er selbst sei immer offen mit seiner Vergangenheit umgegangen. Auch Kutzmutz wurde bei einer Überprüfung der Stadtverordneten 1993 enttarnt, er stellte sich nicht der von den Stadtverordneten eingesetzten Kommission.

Die Linke fokussierte ihre Angriffe daher gestern auf Amtsinhaber Jann Jakobs. Scharfenberg forderte mehr lösungsorientiertes Handeln, „nicht Parteitaktik“. Das nehme Überhand, so Scharfenberg. „Der Oberbürgermeister betrachtet die Verwaltung zunehmend als Selbstbedienungsladen“, so Scharfenberg.

Dass es künftig eine engere Zusammenarbeit zwischen den Linken und der SPD gibt, daran glaubt Waschkuhn derzeit nicht. Die SPD habe das Angebot abgelehnt, Gespräch zu führen. Dabei habe er auf Parteiebene sprechen wollen, nicht auf Fraktionsebene. Jedoch müsse sich die SPD entscheiden: Wenn Jakobs erkläre, Potsdam sei tendenziell eine bürgerliche Stadt, dann müsse er zwischen den Arten der Bürger entscheiden. „Staatsbürger oder Besitzbürger? Citoyen oder Bourgeois?“, so Waschkuhn. Die Potsdamer Staatsbürger hätten SPD und Linke bei der vergangenen Kommunalwahl 62 Prozent der Stimmen gegeben. Bei den Besitzbürgern in der Berliner Vorstadt sei es möglich, dass Rot-Rot in Potsdam keine Mehrheit habe. Jakobs müsse sich schon entscheiden, für wen er Oberbürgermeister ist, so Waschkuhn.

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