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Landeshauptstadt: Linke zweifelt an Tierheim-Verfahren

„Fragwürdige Bedingungen“: Scharfenberg wirft Stadt Vorabsprachen zugunsten des „Pfötchenhotels“ vor

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Potsdam / Beelitz - Der Streit um die Zukunft des Potsdamer Tierheims verschärft sich: Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg hat gestern schwere Vorwürfe gegen die Stadtverwaltung erhoben. Er zweifelte die Rechtmäßigkeit der Ausschreibung an, mit der die Stadt den Tierheim-Betrieb für das kommende Jahr an das „Pfötchenhotel“ in Beelitz vergeben hat.

Das Verfahren sei eine „Riesen-Sauerei“, sagte Scharfenberg gestern. Die Stadt habe sich von Anfang an auf das „Pfötchenhotel“ festgelegt, diese Lösung sei „vorbesprochen“ gewesen. Er staune über die „Frechheit“, mit der die Stadtverwaltung ihren Willen durchsetze: Sie habe den Tierschutzverein Potsdam und Umgebung e.V. (TSV) „ausklinken“ wollen, dafür sei „jedes Mittel recht“ gewesen. Gleichzeitig warf er der Stadt vor, dass die Entscheidung zwischen den zwei Bewerbern – dem TSV und dem „Pfötchenhotel“ – unter „fragwürdigen Bedingungen“ gefallen sei. Das Punktesystem, das die Stadt angewandt habe, sei manipulierbar, so Scharfenbergs indirekter Vorwurf: „Solche Punktesysteme kennen wir ja.“ Gleichzeitig kritisierte Scharfenberg, dass die Stadtverordneten „erneut“ an der Vergabe-Entscheidung nicht beteiligt worden seien. Zumindest der Hauptausschuss hätte vorher informiert werden müssen.

Scharfenberg kündigte an, die Tierheim-Entscheidung am kommenden Mittwoch auf die Tagesordnung des Hauptausschusses zu setzen. Er beanspruche, die Vergabe dort noch einmal in Frage zu stellen – die Stadtverordneten könnten die Stadt zwingen, den Zuschlag wieder zurückzunehmen. Außerdem drohte Scharfenberg, das Verfahren kommunalrechtlich überprüfen zu lassen. Dies wolle er „nicht ausschließen“, wenn die Stadt am Mittwoch nicht alles „offen auf den Tisch legt“, sagte er.

Die zuständige Beigeordnete Elona Müller (parteilos) wies Scharfenbergs Vorwürfe gestern zurück. Der Zuschlag an das „Pfötchenhotel“ sei streng nach der Vergabeordnung erteilt worden; dies habe das städtische Rechnungsprüfungsamt bestätigt. Eine Beteiligung der Stadtverordneten an der Vergabe sei nicht vorgeschrieben und auch nicht möglich, erklärte Müller. Ursprünglich habe die Stadt den Tierheimbeirat, in dem die Fraktionen mit Stadtverordneten vertreten sind, an der Entscheidung beteiligen wollen. Dies sei aber nach Paragraf 22, Absatz 5 und 6, der Vergabeordnung nicht zulässig. Dort sei Vertraulichkeit vorgeschrieben, darauf habe das Rechnungsprüfungsamt hingewiesen und den Tierheimbeirat am vergangenen Freitag davon unterrichtet. Die Vergabeordnung schreibe ferner vor, dass der Zuschlag für einen Bieter nicht öffentlich gemacht werden dürfe, bevor nicht alle Bieter von der Entscheidung unterrichtet seien. Deshalb habe die Stadt die Stadtverordneten nicht informieren können. Eine Entscheidung durch die Stadtverordneten sei ebenfalls verboten: Die Vergabeordnung schreibe vor, dass lediglich die Fachbehörde, die die Ausschreibung verantwortet, über die Vergabe entscheiden dürfe. Darüber hinaus sei die Entscheidung, wer die Fundtiere der Stadt künftig betreue, ein so genanntes „Geschäft der laufenden Verwaltung“, weil die Stadt damit eine Pflichtaufgabe erfülle: „Wir hätten das Verfahren nicht einmal transparent machen müssen.“

Die Stadt hatte am Mittwoch die Grundzüge des Vergabeverfahrens öffentlich gemacht. Danach wurde ein Punktesystem angewandt; der TSV erreichte 98 Punkte, das „Pfötchenhotel“ 116 Punkte. Die unterschiedlich gewichteten Kriterien waren nach Angaben der Verwaltung die Standortbedingungen, das Finanzkonzept, Erfahrung und Konzept des Betreibers und der Preis. Der TSV habe den Zuschlag nicht bekommen, weil er keine ausreichend große Unterbringung für die Tiere nachweisen konnte. Auch seien die vom Verein geplanten Mietkosten nicht mit dem Kommunalen Immobilienservice abgestimmt gewesen. Zudem sei das „Pfötchenhotel“ billiger als der TSV – die Stadt zahle künftig statt 141 000 Euro rund 121 000 Euro Zuschuss pro Jahr.

Dies bezweifelt Links-Fraktionschef Scharfenberg. 15 000 Euro des jährlichen Zuschusses seien Investitionskosten, die nicht geflossen seien. So habe der TSV nur 126 000 Euro bekommen. Gleichzeitig stehe nach dem Zuschlag für das „Pfötchenhotel“ die Einrichtung einer Auffangstation für ausgesetzte Tiere aus – wenn diese mehr als 5000 Euro koste, sei das Privatunternehmen nicht günstiger.

Der TSV war seit 2003 Träger des Tierheims am Wildpark. Den Vertrag hat die Verwaltung zum Jahresende gekündigt, das Tierheim soll geschlossen werden, weil dort eine „artgerechte Haltung“ nicht möglich sei. Dem haben die Stadtverordneten zugestimmt – mit einem Antrag, weiter mit dem TSV über einen Tierheim-Neubau zu verhandeln und das Tierheim geöffnet zu lassen, war die Links-Fraktion gescheitert.

Das „Pfötchenhotel“ wollte sich gestern nicht zu seinen Plänen als Potsdamer Ersatz-Tierheim äußern. Offen ist zudem, was mit den vier Tierpflegern und einer Bürokraft geschieht, die im Wildpark-Tierheim arbeiten. Dies müsse der TSV klären, sagte Müller. Gleiches gelte für die neun Umlandgemeinden, die Verträge mit dem TSV hätten und ihre Fundtiere zum Wildpark bringen. „Sie können sich uns anschließen“, sagte Müller.

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