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Landeshauptstadt: Lokalpolitiker ohne Kritik an Jugendamt Suizid-Drama: Suche nach Pannen geht weiter

Der Tod einer dreijährigen Potsdamerin, die von ihrer Mutter durch einen Sprung von einem Hochhaus am Schlaatz mit in den Tod gerissen wurde, beschäftigte gestern auch die Stadtverordnetenversammlung. Oberbürgermeister Jann Jakobs schilderte den Stadtverordneten das Geschehen und sprach den Angehörigen der beiden Toten sein Mitgefühl aus.

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Der Tod einer dreijährigen Potsdamerin, die von ihrer Mutter durch einen Sprung von einem Hochhaus am Schlaatz mit in den Tod gerissen wurde, beschäftigte gestern auch die Stadtverordnetenversammlung. Oberbürgermeister Jann Jakobs schilderte den Stadtverordneten das Geschehen und sprach den Angehörigen der beiden Toten sein Mitgefühl aus. „Spekulationen darüber, was passiert wäre, wenn das Jugendamt eher informiert gewesen wäre, zeigen auch unsere Hilflosigkeit angesichts einer solchen Tragödie“, sagte Jakobs. Seine Ausführungen wurden von den Lokalpolitikern nicht debattiert.

Dennoch dürfte die Suche nach möglichen Informationspannen weitergehen. Wie berichtet, hatte die Polizei eingeräumt, dass die Mutter Beate B. schon im vergangenen August einen Suizid mit ihrer Tochter Luisa angekündigt, dann aber nicht ausgeführt hatte. Damals waren sie und das Kleinkind schon in dem Hochhaus am Schilfhof angetroffen worden, aus dessen 14. Stockwerk sich die 36-Jährige samt ihrer Tochter am Montag in die Tiefe stürzte. Den ersten Vorfall vom August 2007 hatte die Polizei nicht an das Potsdamer Jugendamt gemeldet, sondern nur als Meldung über die Lokalpresse verbreitet. „Uns gegenseitig über solche Vorfälle zu informieren ist eine Pflicht“, sagte Jakobs gestern.

Kurz nach ihrer ersten Selbstmordabsicht war die Mutter in längerer Behandlung der Psychiatrie des Klinikums „Ernst von Bergmann“ – auch von dort ging nach ihrer Entlassung keine Benachrichtigung an das Jugendamt. Über die Gründe dafür wollte der Chefarzt der Psychiatrie, Christian Kieser, gestern nicht sprechen. Eine Sprecherin des Klinikums sagte den PNN: „Wegen der ärztlichen Schweigepflicht können wir keine Auskunft geben.“ Erst bei einem zweiten Aufenthalt der Frau in der Psychiatrie wurde von dort am 2. April an das Jugendamt die Meldung gesendet, dass für das Kind eine Gefahr bestehen könnte.

Jakobs betonte dazu gestern erneut, dem Jugendamt sei nichts vorzuwerfen – nach der Meldung sei schnell ein Treffen organisiert worden. Dabei hätten die Frau und ihre Familie „stabil“ gewirkt, es habe „keine äußeren Anzeichen“ für einen Suizid gegeben. Dass der Vater von Beate J. oft außerhalb von Potsdam gearbeitet habe, sei nicht bekannt gewesen, sagte eine Sprecherin der Stadt.

Unklar ist weiter, was neben der Beratung der Familie durch das Jugendamt und die zuständige Kita noch im letzten Monat des Lebens von Beate J. passierte. Sie wollte sich offenbar in dieser Zeit wegen ihrer Depressionen freiwillig ambulant behandeln lassen, hieß es – wie diese Behandlung allerdings aussah, ist ungewiss. Chefarzt Kieser hatte gesagt, in Potsdam sei es wegen „langer Wartezeiten“ schwer einen ersten Termin für eine Psychotherapie zu erhalten.

Die Mitarbeiter der Verwaltung, die mit dem Fall zu tun hatten, werden nun im Rahmen einer so genannten Supervision psychologisch betreut – um das Geschehen zu verarbeiten. H. Kramer

H. Kramer

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