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Trügerische Idylle. Die Wohnanlage „Nutheschlange“ ist wegen der ruhigen Innenhoflage bei Familien sehr beliebt. Doch der Teich birgt große Gefahren für Kinder, wie sich jetzt zeigt.

©  J. Frick

Landeshauptstadt: Lücken im Zaun

Nach dem Unfall an der „Nutheschlange“ prüft die Staatsanwaltschaft, ob der Teich genug gesichert war

Von Katharina Wiechers

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Zentrum-Ost - Nach seinem tragischen Sturz in einen Teich am Humboldtring liegt der zweijährige Junge immer noch im Krankenhaus. Nach PNN-Informationen ist sein Zustand weiterhin kritisch, weil er längere Zeit unter Wasser war. Unterdessen stellt sich die Frage nach der Schuld. Während gegen die Eltern bereits wegen Verletzung der Fürsorgepflicht ermittelt wird, prüft die Staatsanwaltschaft nun zudem, ob auf dem Grundstück die Sicherheitsvorschriften eingehalten wurden, wie ein Sprecher der Behörde den PNN am Montag sagte. Die Wohnungsverwaltung Gewoba wies jede Verantwortung zurück.

Die kommunale Gewoba ist Eigentümerin des Wohnkomplexes mit dem Beinamen „Nutheschlange“. Die fast 500 Meter lange Anlage mit knapp 230 Einheiten direkt an der Nuthestraße wurde vor rund zehn Jahren fertiggestellt. Entlang der Häuser mit der eigenwilligen Architektur verläuft ein flussartiger, künstlich angelegter Teich. Ein Teil der Gebäude steht auf Pfählen im Wasser. Der verunglückte Junge lebt mit seiner Familie in einer Erdgeschosswohnung in einem der Häuser, das durch einen Fußweg von dem Teich getrennt ist. Offenbar war der Zweijährige am Montagabend durch die Terrassentür nach draußen gelaufen und hatte den Weg hin zum Wasser überquert, ohne dass die Eltern es bemerkten. Erst als Nachbarn den bewusstlosen Jungen aus dem Wasser gezogen und die Rettungskräfte alarmiert hatten, kamen sie zu der Unglücksstelle rund 100 Meter von der Wohnung entfernt.

Neben den Eltern gerät nun möglicherweise auch die Gewoba in Erklärungsnot. Denn um den Teich herum gibt es zwar einen niedrigen Zaun, der allerdings an vielen Stellen lückenhaft oder gar nicht vorhanden ist. Gerade für kleine Kinder ist es ein Leichtes, ans Wasser zu geraten, weil viele Häuser sehr hoch auf den Pfählen stehen und darunter keine Absperrungen sind. Auch zwischen den Häusern direkt am Wasser ist teils kein Zaun angebracht.

Bislang sei die Gefahr für Kinder durch den Teich kein Thema in der Siedlung gewesen, sagte ein junger Vater den PNN am Montag. Er kennt auch den kleinen Jungen, hat wenige Stunden vor dem Unfall noch mit ihm gespielt. „Eine schreckliche Geschichte“. Der Zweijährige sei schon immer ein kleiner Ausreißer gewesen.

„Wir sind mit den Gedanken bei der Familie“, hieß es am Montag von der Gewoba. Man stehe mit den Eltern in Kontakt. Eine Mitverantwortung wies ein Sprecher allerdings zurück. Die baulichen Gegebenheiten entsprächen den Verkehrssicherungspflichten gemäß der erteilten Baugenehmigung. Darüber hinaus gebe es Schilder und Zäune, zudem würden die Mieter durch Aushänge und persönlichen Briefeinwurf regelmäßig darüber informiert, dass das Spielen am und im Teich nicht gestattet ist. Auch im Mietvertrag werde darauf hingewiesen. Auf die Fragen, ob es schon früher Vorfälle im Zusammenhang mit dem Teich gab, warum der Zaun nicht durchgängig ist und ob nun Konsequenzen gezogen werden, beantwortete der Sprecher nicht.

Laut Deutschem Mieterbund ist der Eigentümer einer Wohnanlage grundsätzlich für Sicherungsmaßnahmen auf seinem Grundstück zuständig. Bei Teichen und anderen Wasserflächen auf Privatgrundstücken sei eine potentielle Gefahr besonders für Kinder allgemein bekannt, sagte Jürgen Pfeilschifter von der Mieterbund-Rechtsabteilung den PNN. Daher müsse der Eigentümer Absperrmaßnahmen errichten, die das Hereinfallen von Kleinkindern verhindern. „Es reicht nicht aus, nur Verbotsschilder aufzustellen.“ Bei Kleinkindern sei allerdings zu beachten, dass die Eltern ihrer Aufsichtspflicht genügen müssen – das Kleinkind also ständig im Auge behalten müssen. „Wird diese Aufsichtspflicht verletzt, so kann dem Teicheigentümer gegebenenfalls im Einzelfall kein Vorwurf gemacht werden“, so der Rechtsanwalt.

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