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Sport: „Lucky“ geht, „Lucky“ kommt

Potsdams Steuermann und Bootsbauer Klaus-Dieter Ludwig wird Ruheständler

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„Lucky“ sticht morgen zweifach „in See“. Beim traditionellen Anrudern der Potsdamer Ruder-Gesellschaft am Seekrug wird zum einen mit Klaus-Dieter „Lucky“ Ludwig der legendäre einstige Steuermann des Vereins in einem der Boote raus auf den Templiner See fahren. Zum anderen wird ein Einer auf den Namen „Lucky“ getauft und dann zu Wasser gelassen.

Dass das neue Boot Ludwigs Spitznamen erhält, ist alles andere als ein Zufall. Damit ehrt die PRG vielmehr ihr langjähriges Mitglied, das nach höchsten sportlichen Erfolgen und langjähriger Tätigkeit als Bootsbauer am Seekrug am kommenden Montag in den Ruhestand verabschiedet wird. „Es war hier eine schöne Zeit“, meint Klaus-Dieter Ludwig mit einem Blick zurück auf seine 49 Jahre an und auf der Havel. Auf der wird nun Felix Bach im neuen Einer „Lucky“ trainieren, um in der bevorstehenden Saison als Solist erfolgreich skullen zu können.

Bach ist B-Junior. So alt war auch „Lucky“, als er mit dem Rudern bei Dynamo Potsdam begann. 1958 schleppte ein Schulfreund den 15-Jährigen, den die Nachkriegswirren vom schlesischen Züllichau nach Potsdam gespült hatten, mit an den Seekrug, wo sich der schmächtige Blondschopf zunächst selbst als Ruderer versuchte. Seine „nur“ 1,67 Meter Körpergröße verhinderte zwar eine Karriere an Skulls und Riemen, doch an den Steuerseilen wurde er einer der erfolgreichsten Steuermänner aller Zeiten. Als weltweit bislang einziger führte er alle drei gesteuerten Ruderboote in die Weltspitze: den Vierer und Achter zu WM-Titeln, den Zweier zu WM-Silber. Er wurde 1980 Olympiasieger, acht Jahre zuvor schon Olympia- Zweiter, heimste dazu viermal WM-Gold und dreimal WM-Silber sowie einmal EM-Silber ein. Seine Medaillen bewahrt er heute alle in einem Schuhkarton daheim im Wohngebiet Auf dem Kiewitt auf.

Als 1966 im jugoslawischen Bled erstmals ost- und westdeutsche Boote getrennt um Weltmeistertitel ruderten, führte Ludwig den gesteuerten DDR-Vierer gleich zu WM-Gold. „Sieben Jahre hatte ich darauf hin gearbeitet – das war für mich und für unser Bootshaus hier ein riesiger Erfolg“, erinnert sich „Lucky“. Genug geschunden hatte er sich auch dafür; schließlich durfte er als Steuermann „nur 45 Kilo nackt und 50 Kilo mit Bekleidung auf die Waage bringen“, weiß er noch heute. „Um mein Gewicht zu halten, bin ich oft zehn bis 15 Kilometer am Tag gelaufen.“ Später hungerte er sich auch auf das „Kampfgewicht“ herunter. Der Potsdamer Bernd Krauß, der mit ihm Olympiasieger und ein Jahr zuvor Weltmeister im Achter wurde, erinnert sich heute noch: „Ich habe manchen Blackout erlebt, den Lucky wegen des Hungerns erlitt.“

1966 saß Ludwig noch im Heck, bei den Olympischen Spielen sechs Jahre später in München lag er als weltweit erster Steuermann mit einem Mikrofon im Bug des Vierers. „So hatte ich einen besseren Überblick, und durch die kleinen Lautsprecher haben nur unsere Ruderer meine Kommandos gehört. Da hat die Konkurrenz gestaunt“, erinnert sich der kleine Mann mit dem großen Gefühl für die Schlagzahlen, der 1980 den DDR-Achter zum Olympiasieg steuerte. „Das war mein schönster Erfolg“, sagt er heute noch. Vier Jahre später wollte er diesen Triumph wiederholen, doch durch den Olympiaboykott des Ostblocks gab es statt der Rennen in Los Angeles die „Spiele der Freundschaft“ in Moskau, wo „Lucky“ noch einmal den Achter zu Silber steuerte. Das war der Schlusspunkt für den mit mittlerweile 41 Jahren dienstältesten Steuermann der DDR, der traditionell nach jedem Sieg ins Wasser geworfen wurde und zurückblickend meint: „Im Herbst war das Wasser manchmal schon ganz schön kalt.“

1985 wechselte Klaus-Dieter Ludwig endgültig aus dem Boot in die Bootswerkstatt des Seekrugs, wo er schon zuvor als Aktiver in den Wintermonaten sein handwerkliches Geschick bewiesen hatte. Bis zu 150 Boote galt es künftig zu reparieren oder für die Rennen auf Vordermann zu bringen. Ob aus Holz, später aus Plaste oder inzwischen aus Kohlefaser – es gab immer viel zu tun. So viel, dass „Lucky“ kaum Zeit zum ordentlichen Abtrainieren fand. Seinen Schlaganfall, den er vor drei Jahren erlitt, führt er auch darauf zurück. Seine gesundheitlichen Probleme bewogen den jetzt 64-Jährigen auch, vorzeitig adé vom Arbeitsalltag zu sagen. Einstige Weggefährten und Trainer werden ihn am Montag offiziell in den Ruhestand verabschieden.

Wobei es kein Abschied für immer von der Ruder-Gesellschaft sein wird. Zwar hat „Lucky“ nun mehr Zeit für sich und Gattin Erna, mit der er seit 1965 verheiratet ist. „Aber ich werde immer mal wieder beim Seekrug vorbeischauen“, sagt er. Zum einen will er schließlich sehen, ob sein Nachfolger Marcel Adam in der Werkstatt gute Arbeit leistet. Zum anderen will er natürlich verfolgen, wie erfolgreich Felix Bach in „Lucky“ rudert.

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