Landeshauptstadt: Lustgarten als Wahlkampfarena
Tausende Besucher beim Sommerfest der Linken / Protest: „Kein IM als OB“
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Innenstadt – Der Wahlkampf um den Posten des Potsdamer Oberbürgermeisters bestimmte das 21. Sommerfest der Linken Samstagnachmittag im Lustgarten. „Ich nehme für mich in Anspruch, dass ich mich seit zwanzig Jahren für die Stadt eingesetzt habe“, sagte OB-Kandidat Hans-Jürgen Scharfenberg wiederholt. Auf der Haben-Seite zählte der OB-Kandidat, der zum zweiten Mal gegen Jann Jakobs (SPD) antritt, auf: Begleitbeschluss zum Landtagsneubau, Ansiedlung von „Porta“ am Stern, Einsatz für den Erhalt von Garagen und Kleingärten, Erhalt des Klinikums als städtische GmbH. Am Theaterneubau, am Stadtwerke-Erhalt, an der Rettung des Treffpunktes Freizeit sowie dem „Freiland“-Jugendprojekt reklamierte Scharfenberg seinen Anteil.
Dahingegen versuche Oberbürgermeister Jann Jakobs im Vorfeld der Wahlen alles ungeschehen zu machen, was er in den vergangenen Jahren versäumt habe. Scharfenberg nennt die von Jakobs initiierte Initiative Schulessen („Warum hat er das nicht früher gemacht?“) und seine Kehrtwende beim Abriss des Hotels Mercure. Auf das Schuld-Konto von Jakobs komme die Schließung des Tierheimes ebenso wie die Pleite beim Niemeyer-Bad am Brauhausberg. „Dieses Desaster konnten wir nicht verhindern“, so Scharfenberg. Umso unverständlicher sei, dass der Oberbürgermeister eine Bürgerbefragung zum Bad-Standort abgelehnt habe. An einem Stehtisch im Schatten ließ SPD-Unterbezirksvorsitzender Mike Schubert die Vorwürfe über sich ergehen. Die SPD stellt seit 1990 den Verwaltungschef im Rathaus.
Der Blick von der kleinen Bühne im Lustgarten neben der Bronzeskulptur von Theo Balden fiel auf eine siebenköpfige Demonstrantengruppe, auf deren Plakaten Scharfenberg wegen seiner Handlungen als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR angegriffen wurde. „Kein IM als OB“ , forderte eine Initiative, die sich „Politik für die Mitte“ nennt. Zu dieser gehört Eckhard Henning, der ein Schild mit folgender Inschrift hoch hielt: „Mein Freund ist am 28.09.1985 von der Stasi ermordet worden, weil er nicht für diese Organisation arbeiten wollte. Kein Stasi-IM als OB. Kein Scharfenberg“. Auf PNN-Nachfrage erklärte Henning, der Mord sei in einer Garage in Potsdam geschehen, nach der Wende habe die Familie Anzeige erstattet, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft seien 1990 ohne Ergebnis eingestellt worden. Nähere Einzelheiten wolle er nicht mitteilen.
„Ich habe niemanden ermordet“, sagte Scharfenberg zu dieser Art des Protestes. Und zum IM-Vorwurf : „Das ist Teil meiner Biografie“, die IM-Tätigkeit liege 25 Jahre zurück und er habe diese bereits vor 15 Jahren in der Stadtverordnetenversammlung bekannt gemacht. „Ich bin nicht bereit, mein Leben darauf reduzieren zu lassen“, erklärte er unter dem Beifall der vielen Zuhörer.
Nach der Talk-Runde auf der Bühne suchte Scharfenberg das Gespräch mit den Demonstranten. „Sie tun ja gerade so, als habe die Linke einen Sturm auf den Stuhl des Oberbürgermeisters im Rathaus vor“, sagte er. Es sei aber am 19. September eine geheime Wahl und jeder könne selbst entscheiden. „Das Wahlrecht ist das wichtigste Recht, das jeder hat.“ Umstehende anerkennen Scharfenbergs Zugehen auf seine Gegner: „Der stellt sich da hin, redet mit denen und sagt, was er denkt.“
Moderate Momente brachte Barbara Richstein (CDU) in den Nachmittag. Sie sei von Scharfenberg eingeladen worden. Die christdemokratische OB-Kandidatin erwähnte, dass sie zu ihrem Wahlkampfauftakt alle Gegenkandidaten eingeladen hatte. „Der einzige der kam, war Herr Scharfenberg.“ Nach Schätzung vom Kreischef der Linken Günther Waschkuhn besuchten über 6000 Menschen das Sommerfest. Günter Schenke
Günter Schenke
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