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Landeshauptstadt: Macht Familie Karriere?

Rund 1400 Kinder werden pro Jahr in Potsdam geboren – doch wie familienfreundlich ist die Stadt?

Stand:

Potsdamer entscheiden sich immer öfter für Kinder. Mittlerweile werden in der Landeshauptstadt doppelt so viele Babys geboren wie noch 1995, nämlich rund 1400 jedes Jahr. Damit übersteigt die Anzahl der Geburten die Sterbefälle. Laut Stadtverwaltung leben derzeit 15 400 Kinder unter zwölf Jahren in der Stadt, jeder 15. Potsdamer ist jünger als 18 Jahre. Aber wie geht es ihnen – wie ihren Eltern? Wie familienfreundlich ist Potsdam? Ein Überblick:

Kontrollierte Starthilfe ins Leben: Ab Oktober wollen Jugendamts-Mitarbeiter alle frisch geborenen Potsdamer mit Geschenken begrüßen. Neben Babypflegeartikeln werden sie Müttern und Väter auch eine „Willkommen in Potsdam“-Mappe mit wichtigen Adressen und Rufnummern übergeben. Der Hausbesuch ist Teil des Potsdamer Frühwarnsystems zum Schutz des Kindes. Das Jugendamt will so kontrollieren, ob es dem Kind in seiner Familie gut geht. Durch den Besuch sollen Eltern das Amt auch mit einem Gesicht verbinden, damit es ihnen leichter fällt, sich dorthin zu wenden, falls es später einmal Probleme gibt. Falls die Eltern Probleme mit der Stadt haben, können sie diese im Fragebogen zum Thema Familienfreundlichkeit, der auch in der Mappe liegt, der Kommune mitteilen.

Immer öfter mit Papa allein zu Haus:

Seit es bundesweit das Elterngeld gibt, scheint laut Stadtverwaltung die Zahl der Potsdamer Väter zu steigen, die ihre Jüngsten im ersten Lebensjahr hüten: Im gesamten vergangenen Jahr haben nur 59 Männer Erziehungsgeld beansprucht, um ihre Babypause zu finanzieren – aber 1153 Frauen. Der Väteranteil lag 2006 bei nicht einmal fünf Prozent. In den ersten drei Monaten dieses Jahres, also nach Einführung des Elterngeldes, liegt er bei zehn Prozent. 176 Potsdamer haben bereits Elterngeld beantragt, darunter 16 Väter.

Kindergarten und Hort:

Die meisten Potsdamer Babys werden die ersten zwölf Monate daheim betreut, meistens von der Mutter. In den ersten drei Lebensjahren besucht derzeit bereits jedes zweite Potsdamer Kind eine Kita. Mit der Betreuungsquote von 52 Prozent liegt Potsdam über dem Bundes- und auch dem Landesdurchschnitt von 48 Prozent. Im Alter zwischen drei und sechs verbringen sogar fast alle Potsdamer ihre Vormittage im Kindergarten, nämlich 96 Prozent. Insgesamt werden 10 760 Kinder in den 86 Potsdamer Kitas und Schulhorten betreut. Doch der Bedarf ist größer: Die Verwaltung will daher bis Sommer 2008 über 1000 neue Plätze in der Kindertagesbetreuung, vor allem für Schulkinder im Hort, zur Verfügung stellen. In diesem Bereich fehlen in Potsdam bereits jetzt 232 Plätze. Mehr als 30 Millionen Euro gibt die Verwaltung jedes Jahr für die Kinderbetreuung aus.

Schulen:

Zurzeit gehen zirka 13 500 Potsdamer in die Schule, davon 5800 in eine der 29 Grundschulen. Die derzeit fünf Gesamt- und die acht Oberschulen besuchen 4500 Potsdamer von der siebten bis zur zehnten Klasse. Das Abitur wollen derzeit rund 3200 Jugendliche ablegen, etwa an den fünf städtischen und drei privaten Gymnasien sowie den fünf Gesamtschulen. Allerdings will das staatliche Schulamt 2007 vier Oberschulen sowie im nächsten Jahr ein Gymnasium schließen. Der Grund: Wegen der geburtenschwachen Nachwendejahrgänge werden nur noch etwa halb so viele Kinder wie noch im Jahr 1999 die siebten und achten Klassen besuchen.

Freizeit mit Familie:

Ab Oktober können sich Potsdams Familien einen Familienpass beim Bürgerservice abholen. Er berechtigt zur ermäßigten Nutzung vielfältiger Angebote in der Stadt. Passbesitzer erhalten außerdem ein Begleitheft, in dem alle Unternehmen und Einrichtungen mit entsprechenden Preisnachlässen für Familien aufgeführt seien. Zum Beispiel beide Kinos, Schwimmhallen, Museen, Theater, aber auch das Wohnungsunternehmen Pro Potsdam. Das bietet Familien mit Zuwachs die Vermittlung größerer Wohnungen und einen halbjährigen Mieterlass für das Kinderzimmer. Als Familie gelten dabei auch ein Erziehungsberechtigter und ein minderjähriges Kind.

Spielplätze

: 131 Spielplätze hat die Stadt, inklusive der in den Kitas. Ihr Zustand ist laut Verwaltung „gut bis befriedigend“. Rund 160 000 Euro gibt sie jährlich aus, um Klettergerüste, Schaukeln und Co. zu warten. In diesem Jahr plant die Stadt zudem den Umbau des Spielplatzes am Hans-Marchwitza- Ring. Den neuesten Spielplatz hat sie für 27 000 Euro 2006 am Havelhorn in Potsdam-West gebaut.

Jugendklubs und Sportvereine:

32 Kinder- und Jugendfreizeit-Einrichtungen gibt es in Potsdam – darunter 24 Jugendklubs, etwa der Mädchentreff „Zimtzicken“ in der Straße Wall am Kiez oder der Theater-Jugendklub „HOT“ in der Zimmerstraße 10. Selbst die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten hat einen: Den Jugendklub Sanssouci, der von Museumpädagogen betreut wird. Fast die Hälfte der 20 000 Mitglieder in den 130 Sportvereine Potsdams sind Kinder und Jugendliche – 9500 zählt der Stadtsportbund in 50 verschiedenen Sportarten.

Jugendschutz ist nicht gewährleistet:

Potsdams Gastronomen sollen angeblich regelmäßig gegen das Jugendschutzgesetz verstoßen, heißt es aus Gastronomie-Kreisen. Es gebe kaum Ausweiskontrollen, in vielen Kneipen und Clubs sollen auch nach Mitternacht 14- und 15-Jährige feiern und trinken, obwohl dies der Jugendschutz verbietet. Das Jugendamt Potsdam könne in Zusammenarbeit mit dem Gewerbeamt Lokale lediglich „stichprobenartig“ prüfen, so die Stadt. Denn nur eine Jugendamtsmitarbeiterin sei dafür zuständig.

Kind oder Karriere:

Laut der Gleichberechtigungsbeauftragten Sabina Scheuerer stellen sich in Potsdam viele Frauen diese Frage und entscheiden sich gegen den beruflichen Aufstieg. In der Stadtverwaltung etwa, einem der größten Arbeitgeber Potsdams, sind zwar von den rund 2000 Angestellten fast zwei Drittel weiblich. Dennoch sind rund 70 Prozent aller Fachbereichsleiter Männer. Auch weibliche Firmenbosse sind in Potsdam selten. So haben vergangenes Jahr nur 564 Frauen ein Gewerbe angemeldet, aber 1487 Männer. Ein Grund könnte sein, dass bislang nur zwei Kitas Öffnungszeiten bieten, die sich nach dem Arbeitstag der Eltern richten: das Kinderhaus Fridolin und die neue Privat-Kita in der Villa Ritz. Zudem gibt es in Potsdam einen Betriebskindergarten: Den „Geolino“ des Geoforschungszentrums, der nächste Woche seine neuen Räume einweihen wird. Künftig sollen auf dem Telegrafenberg nämlich 22 statt zehn Kinder betreut werden. Ab dem Wintersemester 2007 soll zudem die Universitätskita eröffnen. Und bald vielleicht auch die dann dritte Betriebskita. Das städtische Klinikum „Ernst von Bergmann“ verhandelt darüber mit der Stadtverwaltung.

Familienfreundliche Firmen:

Im Herbst will die Stadt Potsdamer Unternehmen zum Thema Familienfreundlichkeit befragen. Momentan erarbeitet die Verwaltung zusammen mit den Wirtschaftsjunioren die Kriterien der Umfrage. Seit einem Jahr nehmen zudem drei Potsdamer Unternehmen an dem brandenburgischen Projekt „Babies and Bosses“ teil: Das Gasthaus „Meierei“, das Autohaus Ehrl und die Medizintechnik-Firma von Christoph Miethke. Die Gesellschaft für Innovationsforschung und Beratung (GIB) betreut die Firmen noch bis Juni und zeigt ihnen, welche Angebote den Mitarbeitern die Vereinbarkeit von Beruf und Kindern erleichtern. Die Unternehmen haben mittlerweile zusätzliche Urlaubstage sowie flexiblere Arbeitszeiten eingeführt. Neu in den Betrieben ist auch, dass Eltern in der Babypause regelmäßig über betriebliche Neuigkeiten informiert werden.

Familienfreundliche Gemeinde:

Um diesen Titel will Potsdam im diesjährigen, vierten Landeswettbewerb nicht kämpfen. Die Bewerbung wäre ein „sehr großer Aufwand“, sagte die Sozialbeigeordnete Elona Müller den PNN. Und dafür sei das Preisgeld zu gering. Insgesamt 76 700 Euro warten auf die Sieger. Besondere Schwerpunkte des Wettbewerbs sollen dieses Jahr Lokale Bündnisse für Familie, Generationenhäuser und Eltern- Kind-Zentren sein. Einrichtungen, die in der Landeshauptstadt bereits existieren: Die Eltern-Kind-Zentren Am Stern und Am Schlaatz beispielsweise. Dort können Kinder spielen, während ihre Eltern miteinander sprechen oder sich vor Ort professionell beraten lassen – etwa vom Jugendamt. Der Treffpunkt Freizeit am Neuen Garten ist ein Generationenhaus, das Kurse und Veranstaltungen für Kinder, Jugendliche, aber auch Rentner anbietet. Zu einem Lokalen Familienbündnis haben sich bereits seit 2006 Vereine, soziale Träger und Stadtverwaltung Am Stern zusammengeschlossen. Ein weiteres Bündnis entsteht gerade in Babelsberg. Juliane Wedemeyer

Juliane Wedemeyer

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