Landeshauptstadt: Machtkampf ohne Sieger
Stadtverordnete lehnen kostenloses Schulessen ab – und den Haushalt gleich mit
Stand:
Für manche trat die Wahrheit am Schluss zu Tage. Und zwar in dem Moment, in dem Hans-Jürgen Scharfenberg gestern Abend vorschlug, ein zweites Mal über das kostenlose Schulessen für sozial bedürftige Schüler abzustimmen. Eine zweite Abstimmung allerdings, gar eine zweite Debatte, verbietet die Gemeindeordnung. Dass Scharfenberg in der denkwürdigen Sondersitzung der Potsdamer Stadtverordneten sein Haupt-Thema nicht noch einmal aufrufen konnte, ist aber nicht ausschlaggebend. Maßgeblich sei, so hieß es später aus den Reihen seiner Gegner, dass er es überhaupt versuchen wollte. Denn der Vorstoß zeigte – diese Einschätzung liegt allzu nahe – dass Scharfenberg vor allem eines wollte: Sein politisches Ziel durchsetzen.
Scharfenbergs Ansage vor der Abstimmung zum Haushalt war klar: Wenn es kein kostenloses Schulessen für alle bedürftigen Schüler gibt, dann wird die Fraktion Die Linke als größte im Stadtparlament dem Haushalt nicht zustimmen. Daran hat er sich gehalten.
Ob die jetzt eingetretene Lage allerdings Scharfenberg zum Sieger des Machtkampfes macht, ist fraglich. Das kostenlose Schulessen lehnten die Stadtverordneten gestern nämlich bereits zum zweiten Mal ab – und den Haushalt gleich mit. Allerdings taten die Enthaltungen der Fraktion Die Linke dabei nicht mehr viel zur Sache: Die Nein-Stimmen kamen von der Haushalts-Koalition aus SPD, CDU, Grünen und Familienpartei. Sie warfen anschließend vor allem der Linken Verantwortlungslosigkeit vor. Oberbürgermeister Jakobs sprach angesichts des gescheiterten Haushalts von einer „absurden Lachnummer“. Es sei unverständlich, dass die Linke erst beschließe, bis 2011 insgesamt 1,3 Millionen Euro mehr auszugeben, sich bei der Abstimmung über den gesamten Haushalt aber enthalte.
Frohlocken konnten aber auch die scheinbaren Sieger nur kurz: Sie hatte zwar dank der Anti-Haushalts-Koalition ihren Antrag für zehn statt drei neue Schulsozialarbeiter durchgekriegt, doch das hat nun keine Bedeutung mehr. Weil der Haushalt abgelehnt ist, liegen alle neuen Investitionen und die Ausgaben für neue sogenannte freiwillige Leistungen auf Eis.
Dazu gehört das zusätzliche Geld für den Familienbegrüßungsdienst (130 000 Euro), das ermäßigte Schulessen (100 000 Euro), drei Schulsozialarbeiter (112 000 Euro) und die Umsetzung der „Kulturpolitischen Konzepte“ (222 000 Euro). Zudem sind alle neuen Investitionen gestoppt. Das betrifft auch die 5,5 Millionen Euro, die in die Sanierung von Kitas und Schulen investiert werden sollen – übrigens auf Antrag der Linken.
Wie es mit dem Haushalt nun weiter geht, scheint völlig offen. Frühestens zur Stadtverordnetenversammlung am 4. Juni werde er wieder auf der Tagesordnung stehen, sagte Jakobs gestern. Allerdings nur, wenn es eine Lösung gebe. Zusätzliches Geld werde die Stadt nicht ausgeben – die Fraktionen, die Mehrausgaben beschlossen hätten, müssten jetzt sagen, wo dafür gestrichen werden soll.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: