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Mehr Mitspracherecht, mehr Empathie forderten gestern ehemalige Häftlinge des russischen Geheimdienstes vor der Gedenkstätte Leistikowstraße, darunter Lothar Scholz und Klaus Hoffmann.

© Manfred Thomas

Landeshauptstadt: Mahnwache der Zeitzeugen

Gedenkstätte Leistikowstraße: Staatssekretär kündigt Kompromisse an

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Nauener Vorstadt - Mit einer Mahnwache vor dem ehemaligen russischen Geheimdienstgefängnis in der Leistikowstraße haben gestern Ex-Häftlinge und Verfolgte des stalinistischen Terrors für mehr Mitsprache bei der Neukonzipierung der Gedenk-und Begegnungsstätte demonstriert. Zeitzeugen seien „keine senilen Querulanten“ stand auf einem Schild. Der 1931 geborene Günter Martins erklärte „zu uns Zeitzeugen wird kein Kontakt gesucht. So kann es nicht weitergehen“. „Lösungen, mit denen alle Seiten zufrieden sein können“, sagte Martin Gorholt, Kultur-Staatssekretär, den Demonstranten zu. Hintergrund des Streits ist die Frage nach der politischen Deutungshoheit über die Geschichte sowie methodische Differenzen zwischen den Historikern und den Zeitzeugen insbesondere in der Frage, inwieweit auch den Tätern Raum in der im Frühjahr 2011 eröffnenden Ausstellung eingeräumt werden soll.

Martins, 1951 im KGB-Untersuchungsgefängnis Leistikowstraße inhaftiert, war zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt worden, weil er angeblich in Fürstenwalde einen Polizisten erschossen haben soll. „Ich wusste damals gar nicht, wo Fürstenwalde liegt“, sagte Martins. Sein Geständnis sei aus ihm „herausgeprügelt worden“. Martins warnte daher davor, sowjetische Akten als alleinige Quellen zu nehmen. Erst das Gespräch mit Zeitzeugen könne Aufschluss bringen, die aber lebten nicht mehr lange. „Sie erkennen nicht, dass diese Quelle bald versiegen wird“, so Günter Martins. Und weiter: „Ich möchte nicht, dass wir erneut zu Opfern werden.“

Die Gedenkstättenleiterin Ines Reich erklärte, es gebe viele Kontakte zu ehemaligen Häftlingen. Ihnen würde schon aus dem Grund bei Rehabilitierungsverfahren geholfen, da nur bei einer erfolgten Rehabilitierung von russischer Seite Akten freigegeben werden. Bei der Auswertung dieser Akten sei eine „quellenkritische Betrachtung“ freilich unerlässlich, da bei Rehabilitierten absolut klar sei, dass sie unschuldig verhaften worden sind, ergänzte der Sprecher der brandenburgischen Gedenkstättenstiftung, Horst Seferens. Konflikte zwischen den Zeitzeugen und den Historikern seien bei der Etablierung von Gedenkstätten „die Regel“, sagte der Leiter der Gedenkstättenstiftung Prof. Günter Morsch. Das sei auch in Sachsenhausen, Torgau oder Bautzen so gewesen. Gegenwärtig laufe die Leistikowstraße in einem Interimsbetrieb, eine dauerhafte Öffnung könne erst ab 2011 angeboten werden. Zunächst dienten die Ressourcen der Stiftung der Erforschung der Geschichte des Gefängnisses.

Staatssekretär Gorholt (SPD) mahnte die Konfliktpartner zum Unterlassen jeder Aggressivität. Prof. Morsch habe „gute Verdienste um das Gedenken in Brandenburg“. Gorholt: „Ich mag keine pauschale Kritik.“ Gleichsam kündigte Gorholt an, dass Anfang 2010 „sehr schnell“ der Beirat der Gedenkstätte erstmals zusammentreten wird. Darin werden sowohl Zeitzeugen als auch der Verein Ehemaliges KGB-Gefängnis Leistikowstraße Stimmrechte haben. In diesem Beirat als auch im Kuratorium würden die strittigen Fragen geklärt. Guido Berg

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