
© A. Klaer
Landeshauptstadt: Mama nicht allein zu Haus
Der Verein Rockzipfel Potsdam schafft Arbeitsplätze für Eltern kleiner Kinder
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Grit Hübener wollte die ersten Schritte ihrer kleinen Tochter selbst miterleben – und sie nicht etwa erzählt bekommen von der Kindergärtnerin. Die 41-Jährige ist seit zwei Jahren Mutter und hat Hanna-Lene nach einem Jahr nicht zu einer Tagesmutter oder in eine Krippe gegeben. Doch inzwischen will die freie Autorin ihre ersten Schritte wieder in ihr Arbeitsleben schaffen. Und die Kleine soll dabei sein.
Deshalb hat Hübener in diesem Jahr aufgebaut, was sie am Donnerstag vor Journalisten vorstellte: Eine Art Bürogemeinschaft von Müttern und Vätern in Räumlichkeiten im Stadtpalais in der Dortustraße. Hübener hatte bereits im Frühjahr eine Initiative nach Vorbild des Leipziger Vereins Rockzipfel gegründet. In Potsdam nennen sie und ihre Mitstreiterinnen das Eltern-Kind-Büro. Was wie eine Anlaufstelle bei der Stadtverwaltung klingt, ist ein Konzept für das Arbeiten mit Kindern in unmittelbarer Nähe.
Mütter und Väter kleiner Kinder teilen sich einen Büroraum und organisieren gemeinsam die Betreuung. „Die Kinder sollen hier nicht abgestellt werden, sondern stehen im Fokus“, sagt Hübener. Ganz wichtig ist ihr dabei, dass die Eltern die Verantwortung für die Kinder nicht abgeben, sondern Wickeln, Füttern und Schlafenlegen der Kleinen selbst erledigen. Praktikanten, FSJler oder Ehrenamtliche sollen sich zusätzlich um die Kinder kümmern. Solche Betreuer allerdings sucht das Eltern-Kind-Büro noch.
Viele Eltern, sagt Hübener, seien glücklich, wenn sie nicht nach einem Jahr Babypause mit acht Stunden wieder ins Jobleben starten müssten, sondern anfangs fünf Stunden in der Woche arbeiten – mit freier Zeiteinteilung. „Das geht bei viel mehr Berufen als man denkt.“ Auch Katy Waldbach, die neben Hübener als Vorstand des Vereins fungiert, will nach der Babypause weniger arbeiten. Zuvor war die Stadt- und Regionalsoziologin Inhaberin einer Agentur in Berlin und arbeitete in der Woche 60 Stunden.
Der Bedarf nach bezahlbaren Büroplätzen inklusive Kinderbetreuung ist hoch. „Wir haben einen absoluten Run“, sagt Hübener. Acht Plätze sind in den Räumen im Stadtpalais bereits vergeben, vier weitere sollen hinzukommen. Die Nutzer zahlen eine Miete in Höhe von 150 Euro – so viel wie der Staat Herdprämie zahlt.
Das Modell ist nicht neu. Vor vier Jahren startete in Leipzig das Projekt Rockzipfel e.V. in einer Altbauwohnung, Nachahmer gibt es in Dresden, Hannover, Hamburg und in Berlin-Mitte. In Leipzig unterstützt die EU das Projekt, Hübener ist noch auf der Suche nach Sponsoren. Unternehmen will sie dazu gewinnen, Arbeitsplätze einzurichten. Von der Stadt bekommt das Eltern-Kind-Büro einen einmaligen Zuschuss von 500 Euro. Dafür sollen Schlafmatratzen gekauft werden.
Auch für den Eigentümer der Räume ist es ein Gewinn, wenn auch kein finanzieller: „Die Flächen stehen seit Jahren leer“, sagt Matthias Kwapien von der Berliner Firma KKL Consulting: „Und hier sucht jemand Flächen. Das ist ein Geben und Nehmen.“ Wobei es aus seiner Sicht eher ein Geben ist. Die zwei Räume mit 100 und 300 Quadratmetern Fläche – vormals als Pizzeria genutzt – stellt der Eigentümer kostenlos zur Verfügung. Lediglich 500 Euro monatlich Betriebskostenpauschale sind mit dem Verein vereinbart, in der Anfangsphase fallen auch diese weg. Für Kwapien lohnt es sich trotzdem: „Es ist immer besser, wenn die Immobilie belebt ist.“
Grit Weirauch
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