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ZUR PERSON: „Man muss die Liga nicht kennen“

Reinhard Stumpf über seinen Trainerjob einst in Tunesien und jetzt in Burghausen und das Spiel in Babelsberg

Stand:

Herr Stumpf, kann man in Burghausen glücklich sein, wenn man die vergangenen sieben Jahre im Ausland gelebt und gearbeitet hat?

Aber sicher, denn es war mein Wunsch, nach so langer Zeit mal wieder in meiner Muttersprache mit einer Mannschaft zu reden. Wenn man wie ich die letzten sieben Jahre eigentlich nur englisch gesprochen hat mit vielen Komplikationen in der Übersetzung, dann freut man sich unwahrscheinlich über die jetzige Aufgabe.

Ihre Familie wird auch froh sein, dass Sie wieder zu Hause sind.

Das schon, aber meine Familie lebt nach wie vor in Kaiserslautern, und zwischen dort und Burghausen liegen auch 500 Kilometer. Das ist auch eine halbe Weltreise und mit dem Auto nicht einfach zu überbrücken.

Bevor Sie am 5. Januar das Traineramt bei Wacker Burghausen angetreten haben, waren Sie seit vergangenem August Trainer des tunesischen Erstligisten Club Sportif Sfaxien. Was haben Sie dadurch vom arabischen Frühling, der ja in Tunesien ausgebrochen war, mitbekommen?

Nur Probleme. Ich wusste eigentlich nicht, was mich in Tunesien erwartet. Das sah sehr gut aus, als ich zu Beginn dort war. Am Ende des Jahres habe ich aber feststellen müssen, dass diese Revolution die Menschen sehr verändert hat. Sie wollen alles mit Druck und Gewalt erreichen und nicht mit Leidenschaft. Sie verkennen das Spiel Fußball und denken, das ist Krieg. Alle Spieler des Vereins stehen unter enormem Druck durch Fans, die sie bedrohen und ihnen sogar Schläge androhen. Ich hatte am Ende ein sehr schlechtes Gefühl.

Daher waren Sie sicher froh, das Angebot des SV Wacker erhalten zu haben, oder?

Ich bin ohne große Ziele in den Weihnachtsurlaub nach Deutschland gekommen und hatte lediglich beschlossen, den Vertrag in Tunesien aufzulösen, in welcher Form auch immer. Ich hätte auch ein halbes Jahr lang nichts gemacht, aber dann kam das Angebot Burghausens und ich sagte mir: Das wäre doch mal was. Ich kenne Burghausen noch aus der Zeit, als Wacker in der Zweiten Liga spielte. Die Aufgabe hier hat mir einfach gefallen. Hier sind junge, talentierte Spieler ebenso da wie bereits erfahrene. Hier kann man etwas bewegen.

In welchem Zustand hat Ihnen Ihr Vorgänger Rudi Bommer, der jetzt Energie Cottbus trainiert, die Mannschaft überlassen?

Über meinen Vorgänger spreche ich grundsätzlich nicht. Ich habe eine andere Philosophie, wie ich eine Mannschaft führe und trainiere.

Was machen Sie anders?

Ich habe gewisse Mängel erkannt, die ich so ändern will, dass meine Mannschaft funktioniert, wie ich es gern hätte.

Die Dritte Liga selbst ist Neuland für Sie. Wie schätzen Sie nach knapp zwei Wochen die Rolle ein, die der momentane Tabellen- Neunte Burghausen weiter spielen könnte.

(lacht). Diese Frage bekomme ich immer wieder gestellt, die kann ich schon gar nicht mehr hören. Fußball wird überall gespielt, und ebenso wie der Fußball verändert sich auch die Liga ständig. Heidenheim beispielsweise hat jetzt fünf neue Spieler geholt und wird nicht den gleichen Fußball wie vor acht Wochen spielen. Andere Mannschaften verlieren vielleicht noch ein, zwei Spieler und spielen nicht mehr das gleiche System wie bisher. Im Fußball kann sich jederzeit etwas ändern, man muss die Liga deshalb nicht unbedingt kennen. Ich bin als Spieler mal fremd in die Türkei und nach Japan und als Co-Trainer mit Eric Gerets nach Saudi- Arabien gegangen. Wir haben weder die Sprache noch das Land gekannt – was im Endeffekt aber nicht störte. Und ich habe hier ja mit Co-Trainer Georgi Donkov und Geschäftsführer Florian Hahn Mitstreiter, die die Dritte Liga seit Jahren kennen.

Konnten Sie Ihre Mannschaft in den vergangenen Wochen optimal auf die restliche Saison vorbereiten?

Das muss man sehen. Es ist natürlich sehr schwierig, innerhalb weniger Wochen etwas aufzubauen und zu verändern.

Was wissen Sie bisher vom SV Babelsberg 03, bei dem Burghausen am Samstag in die Frühjahrsrunde startet?

Ich habe mit Georgi Donkov einige Spiele aus den letzten Wochen des vergangenen Jahres mit einigen der kommenden Gegner angeschaut. Aber was ich dort sah, ist schon wieder einige Wochen her. Babelsberg wird personell sicher aus dem Vollen schöpfen können, während bei uns beispielsweise Youssef Mokhtari wegen seiner Gelb-Roten Karte zuletzt in Oberhausen und Darlington Omodiagbe wegen seiner fünften Gelben Karte fehlen werden. Das sind zwei Spieler, die großen Anteil am Erfolg in der Hinrunde hatten. Man wird am Samstag in Babelsberg sehen, wer die bessere Tagesform hat.

Mit Babelsbergs Trainer Dietmar Demuth werden Sie am Samstag einem alten Bekannten wiederbegegnen.

Das stimmt. Er hat mich Anfang der 90-er Jahre gemeinsam mit Cheftrainer Rainer Zobel beim 1. FC Kaiserslautern trainiert.

Als Bundesliga-Kicker waren Sie ebenso wie Demuth Abwehrspieler. Prägt das Ihre heutige Fußball-Philosophie als Trainer?

Man muss kein Abwehrspieler gewesen sein um zu wissen, dass die Basis eines erfolgreichen Spiels die Abwehr ist. Man baut alles auf eine Defensive auf. Es geht immer darum, wie man sich bei eigenem Ballbesitz oder beim Ballbesitz durch den Gegner verhält. Da gibt es inzwischen so viele Möglichkeiten.

Ihr Vertrag in Burghausen ist bis zum Saisonende gültig 

mit Optionen einer Vertragsverlängerung sowohl durch mich als auch durch den Verein.

Meine Frage zielt darauf, ob es Sie nach Ihrer Arbeit bei Wacker wieder als Weltenbummler ins Ausland ziehen wird.

Ich bin für alles offen. Mich zieht es dahin, wo ich eine gute Aufgabe finde, und Wacker Burghausen ist eine gute Adresse. Was im Sommer oder in zwei Jahren ist, weiß niemand. Fußball ist so schnelllebig.

Das Interview führte Michael Meyer.

Reinhard Stumpf (50) ist seit dem 5. Januar 2012 Trainer des Fußball-Drittligisten SV Wacker Burghausen.

Als aktiver Spieler war Reinhard Stumpf Fußball-Profi Kicker Offenbachs, des Karlsruher SC, des 1. FC Kaiserslautern, Galatasaray Istanbuls, des 1. FC Köln und des japanischen Erstligisten Vegalta Sendai, ehe er seine Karriere beim Regionalligisten Hannover 96 ausklingen ließ.

Anschließend war Reinhard Stumpf als Coach beziehungsweise Co- Trainer unter anderem des 1. FC Kaiserslautern, des VfL Wolfsburg, Galatasaray Istanbuls (Foto), Gençlerbirligi Ankaras, Al-Hilal (Saudi-Arabien) und Club Sportif Sfaxien (Tunesien) tätig, ehe er nach Burghausen kam.

Reinhard Stumpf ist verheiratet und hat einen Sohn sowie eine Tochter. Seine Familie lebt in Kaiserslautern.

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