Landeshauptstadt: „Manche nur 50 Zentimeter tief“
Bei der Suche nach Weltkriegs- Blindgängern wird der Munitionsdienst in Potsdam immer fündig
Stand:
In diesem Fall helfen die Bilder nicht weiter. Die Suche nach Bomben aus dem 2. Weltkrieg, die nicht detoniert sind, erfolgt in den Ravensbergen ohne genaue Hinweise auf Einschlagstellen und Krater. Suchen die Mitarbeiter des Kampfmittelbeseitigungsdienst sonst mit Hilfe von Bildern aus den Bombern von 1945, „hilft uns hier das Luftbild wenig“, sagt Sprengmeister Horst Reinhardt. Der Wald ist zu dicht. Damit steht er unter Generalverdacht, überall können sie sein. Reinhardt sagt, unter dem Holz lagert ein „Bombenteppich“. Manch ein Blindgänger liege „nicht tiefer als 50 Zentimeter im Boden“. Daher habe der Kampfmittelbeseitigungsdienst dem Forst die Auflage erteilt, dieses für Potsdam wichtige Naherholungsgebiet systematisch absuchen zu lassen.
Am morgigen Dienstag müssen wieder 2300 Anwohner ihre Wohnungen verlassen, weil eine Entschärfung ansteht. Der 2. Weltkrieg hat unzählige Spuren in dem Forst hinterlassen. Es ist die sechste Großbombe in dem derzeit abgesuchten 15 Hektar-Waldstück, die entschärft werden muss. Dabei sind die 15 Hektar nur ein kleines Stück zwischen Caputh, Bergholz- Rehbrücke und Potsdam. In einem anderen Gebiet zwischen der Michendorfer Chaussee und der Heinrich-Mann-Allee, genauer gesagt im Umfeld des Telegrafenberges, waren es 30 gefundene und später entschärfte Blindgänger, so Reinhardt. Eine Mege Arbeit für die Männer des Kampfmittelbeseitigungsdienstes.
Wie gefährlich der Job ist, hat erst kürzlich ein Unfall gezeigt. Manuel Kunzendorf, der knapp 600 Blindgänger unschädlich gemacht hat, ist bei einem Arbeitsunfall schwer verletzt worden. „Es wird versucht die Hand, soweit es möglich ist, wiederherzustellen“, sagt Reinhardt, ein langjähriger Kollege Kunzendorfs. Zwei Finger, den Daumen und den Zeigefinger der linken Hand versuchen die Ärzte zu retten. Die weiteren Verletzungen, Splitter im Magen- und Bauchbereich, würden keine Folgeschäden hinterlassen. Noch immer untersucht die Staatsanwaltschaft den Vorfall vom 15. Juni in einem Munitionsbunker in Priort bei Wustermark.
Für seine Kollegen sind solche Unfälle ein Schock, auch wenn sie sich immer der Gefahr bewusst sind. Daher müssen sie bei jedem Fund analysieren, kann er entschärft werden, kann er noch einige Stunden liegen bleiben oder muss er sofort entschärft beziehungsweise gesprengt werden. Nach Reinhardts Einschätzung kann die am Donnerstag gefundene Bombe entschärft werden. Dass sie nicht wie kürzlich in Berlin-Zehlendorf oder manchmal auch in Potsdam sofort unschädlich gemacht wird, liege an den Absprachen mit dem Ordnungsamt. Dies lege fest, wann entschärft wird, so Reinhardt.
Dieses Mal ist es eine 250 Kilogramm schwere Bombe „mit Aufschlagzünder“, so der Sprengmeister. Sollte es schwieriger werden als erwartet und die Bombe doch gesprengt werden, dann würde schnell umgeplant. Dass überhaupt im Wald gesucht wird, habe mit dem Forst zu tun. Das Holz soll geerntet, also verwertet werden. Da dabei große, schwere Maschinen in den Wald fahren, müsse der Boden auf Bomben untersucht werden. Noch bis Ende Juli soll in dem Bereich gesucht werden, sagte Reinhardt. Dann erst im kommenden Jahr wieder.
Das Geld sei knapp, die Mittel müssten für das ganze Land reichen. Potsdam, so Reinhardt, habe aber eine hohe Priorität. Den Wald als Naherholungsgebiet, das nahe Stadtgebiet und eine hohe Bevölkerungsdichte nennt Reinhardt als drei der Gründe, warum in der Landeshauptstadt bevorzugt nach Blindgängern Ausschau gehalten wird.
Seit 2006 wird systematisch gesucht, seitdem werden in regelmäßigen Abständen auch große Blindgänger von 250 oder 500 Kilogramm gefunden. In den vergangenen Monaten beispielsweise auf einem Schulhof in Zentrum-Ost sowie in der Nuthe, davor auch auf dem Gelände des Klinikums – nun ist es wieder eine Bombe im Wald. Am Dienstag ab 8 Uhr soll alles evakuiert sein, 2300 Menschen müssen den Sperrkreis verlassen. Jan Brunzlow
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: