
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Männer gesucht
Die Frauen des gemischten Chores der Volkssolidarität brauchen dringend Verstärkung
Stand:
Das Geburtstagskind wird 65 Jahre alt. Die Dame auf dem Extrastuhl vor dem Halbrund der Chorsänger wünscht sich Brahms’ Liebesliederwalzer Nummer 9 als Ständchen. „Da habt ihr ja was zu tun“, sagt Chorleiterin Gabriele Tschache. Die etwa 30 Frauen und fünf Herren der Chorgemeinschaft der Volkssolidarität setzen sich zurecht, dann erklingt zweieinhalb Minuten schönster süßer Liebestaumel. „Am Donaustrande, da steht ein Haus, da schaut ein rosiges Mädchen raus...“ Die Beglückwünschte klatscht, und dann erst geht die Chorprobe richtig los.
Der Saal im Obergeschoss des alten Babelsberger Rathauses ist stickig, die Fenster zur lauten Kreuzung mit Bushaltestellen und Tramgleisen bleiben zu. Trotzdem schmettern die Sänger leidenschaftlich los oder werden mal leise, je nachdem. Besonders ein Herr hat es schwer: Der einzige Bass muss sich ordentlich anstrengen, um durchzudringen. Im Tenor sind sie immerhin zu viert. Doch die Männer sind hier eindeutig in der Minderzahl.
Ein großes Problem, findet Gabriele Tschache. Die 68-jährige einstige Dozentin, die an der Universität Potsdam Musiklehrer ausbildete,übernahm den Chor 2007. Zuvor leitete sie 30 Jahre die Kinderchöre der Singakademie, jetzt sind es die älteren Menschen, die bei ihr singen. Etwa 65 bis 85 Jahre alt sind die Senioren, und bisher, so Tschache, sei alles prima gewesen. Nun fehlen die Männer, beim Weihnachtskonzert haben noch alle mitgesungen, doch nach Neujahr blieben einige zu Hause. „Wie es eben so ist, aus Krankheitsgründen, oder man pflegt die Eltern, die eigene Frau“, sagt Gabriele Tschache. Sie ist selbst noch rüstig, kommt gemeinsam mit ihrem Mann, der am Piano begleitet, zu den Proben von Berlin nach Potsdam. Neben dem gemischten Chor leitet sie noch einen reinen Frauenchor. Und sie befürchtet, dass dieses Schicksal auch dem gemischten Chor droht. Das fände sie furchtbar, sie traut sich kaum, die drohende Entwicklung den Sängern und Sängerinnen zu beichten.
Wenn der eine Bass mal nicht da ist, sagt Dieter Kormann, 83, Tenor und bisweilen Aushilfsbass, dann werde notgedrungen dreistimmig gesungen. „Das klingt aber nicht so voll“, sagt Kormann. Seit 2001 ist er dabei, seine Frau singt vier Meter Luftlinie entfernt im Alt. Dieter Kormann hat schon immer gesungen, erst im Schulchor, dann im Werksensemble, und als sie nach Potsdam zogen, fand er hier im Chor der Volkssolidarität Anschluss. Erst kürzlich traten sie in der Sternkirche auf, einmal waren sie schon in Wolgast, dort haben sie einen Partnerchor. Demnächst singen sie im Jagdschloss Stern und zur Eröffnung der Seniorenwoche im Stern-Center. Dann kommt sicher auch der Oberbürgermeister, sagt Gabriele Tschache. Bis dahin haben sie noch einiges zu üben.
„Es geht aber nicht nur ums Singen, es geht auch um Gemeinschaft, um Geselligkeit“, sagt Gabriele Tschache. An solchen Nachmittagen wird gequatscht, Neues ausgetauscht, und einmal im Jahr fahren sie alle auf ein Probenwochenende nach Klein Köris. Und gern hätten sie ihre Männer weiterhin und vor allem noch ein paar mehr dabei. Nicht nur Tschache würde sonst etwas fehlen. „Es ist ein ganz anderer Klang, wenn man Männerstimmen mit dabei hat“, sagt sie. In den letzten Jahren hat sie ein ganz ordentliches Repertoire an Stücken aufgebaut, die dann plötzlich wegfallen würden oder umgeschrieben werden müssten. Doch wer soll das machen?
Am Mittwochnachmittag wird das nicht diskutiert. Eine Zuhörerin ist dabei, die mal reinschnuppern will – wieder kein Bass oder Tenor. Tschache will ein Schlagermedley probieren, „Heute spielt der Willy in der Bar bei Lilli, Boogie Woogie...“ geht es los, und die Männer setzen ein: „Ich hab Musik im Blut“. S. Pyanoe
Ansprechpartnerin für neue Sänger: Marga Jacobi, Tel. (0331) 96 43 71
S. Pyanoe
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: