Landeshauptstadt: Marathon in zu kleinen Schuhen
Rauchentwöhnung in Trance: Die Hypnosetherapeutin Katharina Hanf-Dressler sagt, sie könne den Drang nach einer Zigarette in 120 Minuten auflösen.
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„Schließe die Augen.“ Die Stimme von Katharina Hanf-Dressler klingt betörend. Durch die entspannten Lider dringt warmes schwaches Licht. Die leicht bewegte Luft riecht nach Lemongras. „Jetzt öffne die Augen wieder – so fühlt sich Hypnose an. Du spürst keine Veränderung.“ Die Beschreibung ist enttäuschend.
Und trotzdem soll in der Zwischenzeit etwas geschehen. Der 47-jährige Roland Schmidt will nicht mehr rauchen. Der stellvertretende Restaurantleiter des „Prinz Eisenherz“ im Filmpark Babelsberg ist inzwischen wieder bei einer Dosis von einer Schachtel am Tag angelangt. „Besonders auf Arbeit“ rauche er viel, immer wenn Pause ist. Er habe schon mehrmals versucht aufzuhören. Durchgehalten habe er sogar einmal zwei Jahre lang, bis einer seiner Kollegen eine Runde Zigaretten schmiss. „Wat denn, der Schmidti raucht doch nich“, hätten die anderen sich noch gewundert, als er zur Zigarette griff. Es sei nur ein Spaß gewesen. „Ich habe am Anfang nur gepafft, dann einen Lungenzug genommen. Das war“s. Da war ich wieder drauf“, rekonstruiert er. Die Hypnosetherapeutin Hanf-Dressler nickt bestätigend. Das geht vielen Rauchern so.
Vor einem halben Jahrzehnt hat die 27-Jährige ihre Fähigkeit zum Hypnotiseur entdeckt. Sie verheimliche gerne ihr Alter. Denn mit nicht mal Dreißig werde ihr oftmals die Weisheit für die Trancelehre abgesprochen. In den USA hat die junge Frau, die mit ihren hellblonden, langen Haaren aussieht wie eine Elfenkönigin, Hypnosetherapie studiert. Dort sei das eine eigene Ausbildung und nicht wie in Deutschland nur eine Zusatzqualifizierung für Psychiater und Psychologen. Allerdings habe sie auch bei der Freien Gesellschaft für Hypnose in Bayern eine Prüfung abgelegt und sei somit zertifiziert. Katharina Hanf-Dressler legt Wert auf ihre Professionalität. Vor zwei Jahren hat sich die junge Frau auf die Felder Rauchentwöhnung und Gewichtsreduzierung spezialisiert und hat vor wenigen Wochen mit ihrem Mann ein neues Hypnosezentrum in Berlin eröffnet.
Der Windfang der Villa in Frohnau ist eine Schleuse: Vom winterlich-kalten Schwarz-Weiß in die sattgelbe Welt von „Hypnos“. In der Zwischenwelt steht ein Garderobenständer. Hier befreit sich Roland Schmidt von der dicken Jacke und den schweren Schuhen. Die leichten Frottierschlappen für die Besucher nehmen die Erdung. Schon vor der eigentlichen Sitzung schwebt man über das aufbereitete Parkett. Aus einem der Nebenräume dringen sphärische Klänge in das großzügige, helle Treppenhaus. Es gibt Kräutertee, dazu leichte Unterhaltung.
Der eigentliche Behandlungsraum ist gut beheizt. Ein Teelicht flackert in einem Glas aus bunten Steinchen. Daneben eine Karaffe mit Quellwasser, zwei Gläser. Auf der Fensterbank steht eine Figur, überzogen mit roten und blauen Linien, „den Energieflüssen im menschlichen Körper“, erklärt Katharina Hanf- Dressler. Sie hat auf einem Hocker Platz genommen – vor sich ihr Laptop, in das sie die persönlichen Angaben ihres Klienten eingibt. Sie tippt sanft auf die Tasten, damit es nicht störend klappert. Sie möchte von Roland Schmidt wissen, wann er die erste Zigarette seines Lebens geraucht hat, ob es für ihn eine Beziehung zwischen Kaffee und Rauchen oder Bier und Rauchen gibt. Ob er sich gut Dinge vor seinem inneren Auge vorstellen kann. Ob er ein Naturmensch ist und was ihm besser gefällt: Berge oder Meer. Aus all den Antworten stelle sie einen individuellen Weg durch Schmidts Unterbewusstsein zusammen. „Es gibt kein Standard-Skript für Rauchentwöhnung“, sagt die Hypnosetherapeutin.
Dann erklärt sie ihrem Gegenüber, was den Menschen zum Raucher macht. Rauchen sei wie ein Marathon in zu kleinen Schuhen. Am Ziel wirft man das Schuhwerk ab und spürt Erleichterung. Um dieses Gefühl der Befreiung zu erreichen, glaubt man, müsse jeder Lauf in zu engen Schuhen bestritten werden. So sei es auch beim Zigarettenkonsum, erklärt die 27-Jährige, die selbst allerdings noch nie geraucht hat. Das Nikotin aktiviere Synapsen im Gehirn, die den künftigen Drang nach einem Glimmstängel erzeugten. Erst wenn man diesen Schaltzellen wieder Futter gebe, stelle sich Entspannung ein. Auf diese Weise entstehe der Eindruck, nur durch Rauchen könne man Stress abbauen. Diese mit jeder Zigarette immer mehr verfestigte Verbindung bilde die eigentliche Abhängigkeit. „Ich weiß ja, dass mir Rauchen nicht gut tut“, sagt Schmidt. Trotzdem schaffe er es nicht, davon loszukommen. Mit dem Verstand sei das nicht steuerbar, tröstet ihn Katharina Hanf-Dressler. Der Drang sei im Unterbewusstsein verankert und könne aber in Trance aufgelöst werden. Dazu benutze sie zur Verstärkung auch die Technik der Klopf-Akupressur. Dabei berühre sie wichtige Knotenpunkte der Strömungen im Körper, um zusätzlich Energie freizusetzen.
Nach über einer Stunde in Hypnose merkt der 47-Jährige wie angekündigt keinen Unterschied zu vorher. Es sei angenehm, aber auch vertraut gewesen. Allerdings sei das Verlangen nach einer Zigarette geschwächt. In seinem Kopf sei nur noch eine Erinnerung an das Rauchen, die es jetzt noch zu löschen gelte. Seit nunmehr 20 Tagen ist der gelernte Koch rauchfrei. Die Trance unterstütze ihn in dem Willen aufzuhören, erklärt er. „Wir können das nur gemeinsam schaffen“, hatte auch die Hypnosetherapeutin betont. Das Durchhaltevermögen wird sicherlich auch durch den stolzen Preis von 292 Euro für die 120-minütige Behandlung verstärkt. „Sollte ich schwächeln, gibt es eine kostenlose Nachsorge“, erklärt Schmidt. Seine Hypnosetherapeutin verweist auf eine Erfolgsquote von 95 Prozent bei der Rauchentwöhnung. Auf ihrer Internetseite www.hypnose-zentrum.de berichten Klienten von ihrem Leben als Nichtraucher. Sie haben die zu kleinen Schuhe an den Nagel gehangen.
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