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Aus dem GERICHTSSAAL: Marihuana statt Döner und türkischer Pizza

Anklage: Handel mit Betäubungsmitteln in 26 Fällen / Haft für Kioskbetreiber vom Leipziger Dreieck

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Der Drogenhandel war offenbar lukrativer als der Verkauf von Döner und türkischer Pizza am Leipziger Dreieck. Doch dann flog die Sache auf. Das Schöffengericht unter Vorsitz von Birgit von Bülow verurteilte am Dienstag den Kiosk-Betreiber Ugur U.* (42) zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Es folgte damit dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Zwischen Mai und Juli 2010 soll der in Berlin wohnende Türke in mindestens 26 Fällen Marihuana an der Hintertür seines Imbisses verkauft haben. Insgesamt – so die Schätzung von Polizeibeamten – zwischen 3,84 und 4,80 Kilogramm. Ugur U. – mehrfach vorbestraft wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz – bestritt den Vorwurf. Allerdings räumte er ein, gelegentlich selbst Haschisch zu rauchen. Und er bat das Gericht, ihn nicht nach seiner Vergangenheit zu beurteilen.

Ausgerechnet Frank F.* (45), Stammkunde und Drogenkurier im Dienste des Angeklagten, belastete Ugur U. und damit sich selbst bei der Polizei. Ihn erwartet im nächsten Monat eine Verhandlung. Detailgetreu erzählte der Alkoholiker den Beamten, der Angeklagte habe einen Dritten beauftragt, ihm wöchentlich 20 bis 30 Tütchen mit je einem Gramm Marihuana zu liefern. Das Rauschgift habe er in seinem Keller am Brauhausberg versteckt und auf telefonische Anforderung von Ugur U. im Döner-Imbiss vorbeigebracht. Als Gegenleistung habe er kostenlos Bier und Zigaretten bekommen. Später widerrief Frank F. seine Aussage und erzählte eine abenteuerliche Geschichte. Diese präsentierte er auch im Zeugenstand. So will er auf einer Wiese am Hauptbahnhof verstreut vier Päckchen Marihuana gefunden und in einer Reisetasche deponiert haben. Ein Bekannter habe ihm geraten, Ugur U. als Eigentümer der Drogen anzuschwärzen. Das sei eine gute Gelegenheit, sich für das vom Kiosk-Betreiber ausgesprochene Hausverbot zu rächen. „Warum hatten Sie Hausverbot?“, fragte die Vorsitzende. „Ich habe öfter Waren für den Imbiss eingekauft. Einmal habe ich etwas Wechselgeld abgezockt“, gestand der Mann.

Die während der Verhandlung gehörten Polizisten berichteten übereinstimmend, Frank F. habe bei seiner Anzeige gegen Ugur U. durchaus glaubhaft gewirkt. „Er bezeichnete sich selbst als Drogenkurier und nannte viele Einzelheiten. Außerdem verwendete er den szenetypischen Wortschatz“, so ein Beamter. Er habe keinen Anlass gesehen, an der Aussage des Potsdamers zu zweifeln, zumal die Kriminalpolizei in der Vergangenheit schon einmal wegen vermeintlichen Drogenhandels gegen Ugur U. ermittelte. Die Ermittlungen seien allerdings im Sande verlaufen.

Als Frank F. seine Anzeige widerrief, sei er zapplig und unkonzentriert gewesen, habe den Beamten nicht in die Augen sehen können. „Manche Antworten kamen wie aus der Pistole geschossen. Bei anderen musste er lange überlegen. Die Version, dass er den Angeklagten aus Rache falsch beschuldigt hat, kam uns merkwürdig vor“, schätzte ein anderer Polizeizeuge ein. „Ich hegte den Verdacht, dass er bedroht wird.“

Frank F. sei geistig nicht in der Lage, sich eine detaillierte Geschichte auszudenken, ohne sich in Widersprüche zu verwickeln, befand die Vorsitzende. Deshalb sei seiner ersten Aussage bei der Polizei Glauben zu schenken. (*Namen geändert.) Hoga

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