Landeshauptstadt: Markus Schüttes Glücksfall
Am Montag nimmt der neue Potsdamer Stadtkirchenpfarrer seine Tätigkeit auf
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Am Montag nimmt der neue Potsdamer Stadtkirchenpfarrer seine Tätigkeit auf KIRCHE IN POTSDAM Von Michael Erbach „Das ist ein absoluter Glücksfall für mich und meine Familie.“ So beschreibt Markus Schütte sein augenblickliches Lebensgefühl. Schütte wird am kommenden Montag offiziell seine Tätigkeit als Stadtkirchenpfarrer aufnehmen. Zugleich rückt die Stadtkirchenarbeit in die Mitte Potsdams: Nur ein paar Tage nach der Amtsübernahme wird Schüttes Büro von der Hegelallee in die Nikolaikirche verlegt, „in die alte Mitte“. Der 35-jährige ist in doppelter Hinsicht glücklich über die Entwicklung, die sein beruflicher Werdegang genommen hat. Zunächst einmal ist er froh darüber, dass es diese Tätigkeit überhaupt gibt. „Dass sich die evangelische Kirche in Potsdam in Zeiten knapper Kasse einen Stadtkirchenpfarrer leistet, ist an sich schon großartig.“ So etwas gäbe es nur selten und zeige, welche Wertschätzung eine solche Arbeit genieße. Stadtkirchenarbeit orientiere sich an neuen Bedürfnissen. Viele Menschen würden Kirche „eher situativ wahrnehmen“, insbesondere in Grenz- oder Konfliktsituationen, zum Beispiel in Trauerfällen oder als Reaktion auf Katastrophen und Unglücke. Diese Entwicklung zeichne sich seit den 80-er Jahren ab. Zwar werde christlicher Gaube weiter vornehmlich in der Gemeinschaft gelebt, „aber wir müssen Bedürfnisse, die darüber hinaus gehen, ernst nehmen, uns als Kirche der Gesellschaft weiter öffnen“. Diese Angebote soll es in der Nikolaikirche, in der Friedenskirche und später auch in der wiedererrichteten Garnisonkirche geben. Und dass ausgerechnet er diese Arbeit in Potsdam leisten darf, stimmt Schütte mehr als froh. So war es eben eine glückliche Fügung für Markus Schütte, dass sein Vorgänger Martin Vogel in dem Moment persönlicher Referent von Landesbischof Wolfgang Huber wurde, als er gerade mit dem 2. Examen sein Theologiestudium beendet hatte. Von Vogel hat er auch eine Aufgabe übernommen, die ihn regelrecht begeistert: Mitarbeit am Wiederaufbau der Garnisonkirche. Als einer von zwei stellvertretenden Vorsitzenden der Fördergemeinschaft für den Wiederaufbau vertritt er dort die Kircheninteressen. Dass nunmehr nicht nur der Turm der Garnisonkirche, sondern gleich die ganze Kirche wiedererrichtet werden soll, lässt Schütte – trotz der damit verbundenen Neuorientierung bei der Umsetzung des Nutzungskonzepts und zu erwartender Mehrarbeit – vor Ideen förmlich sprühen: „Turm und Kirchenschiff – das ergibt völlig neue Möglichkeiten das Konzept umzusetzen.“ Das Kirchenschiff, das früher 3000 Plätze umfasste, könnte zu einem Veranstaltungsort werden, der Turm, dessen vier Etagen bislang sämtliche Nutzungsvorstellungen beherbergen sollte, entlastet werden. Schütte hält auch daran fest, die Diskussion um die äußere Gestaltung noch nicht für beendet zu erklären. Der Kirchenbau solle auch Verfremdungen zulassen, um die Brüche in der Geschichte widerzuspiegeln. Dass das Nagelkreuz der Versöhnungskirche von Coventry nunmehr nicht auf dem Dach angebracht werden soll, sondern vielmehr an einem exponierten Ort in der Kirche, sei akzeptierbar. Doch warum solle es nicht an bestimmten Tagen, wie dem Datum des Bombardements auf Potsdam am Ende des zweiten Weltkriegs oder dem so genannten Tag von Potsdam, Lichtinstallationen an der historisch nachgestalteten Fassade geben oder das Glockenspiel andere Melodien spielen? Schon die jetzige Phase, in der zwar das Nutzungskonzept für die Garnisonkirche – offene Stadtkirche und Internationales Versöhnungszentrum – steht, aber seine inhaltliche Umsetzung unter den neuen Gegebenheiten „sicher noch große Diskussionen auslösen wird“, ist für den neuen Stadtkirchenpfarrer „schon ein Stück Versöhnungsarbeit“. So will er auch mit einer Veranstaltungsreihe zum 60. Jahrestag des 20. Juli 1944 zeigen, dass die Garnisonkirche eben nicht nur mit dem Handschlag zwischen Hitler und Hindenburg in Verbindung gebracht werden sollte. Viele Offiziere des Widerstands gegen Hitler waren nämlich Mitglieder der Garnisonkirche. So also steckt Markus Schütte schon mitten drin in seiner Arbeit als Stadtkirchenpfarrer. Seine Hoffnung: Dass sich neben dem Spaß an der neuen Tätigkeit auch Erfolg einstellt – und er irgendwann selbst auch als Glücksfall angesehen wird.
Michael Erbach
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