Homepage: Massenproduktion von Vorstellung
Am Einstein Forum fand ein Symposion über Vorstellungsbilder statt
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Welche Vorstellung haben wir von einem romantischen Essen zu zweit? Und wie wirkt unsere Vorstellung auf das Erlebnis eines romantischen Essens? Inmitten des Vortragsraumes vom Einstein Forum am Neuen Markt debattierten in der vergangenen Woche sieben Wissenschaftler aus aller Welt an einem großen, eckigen Tisch über Vorstellungsbilder und ihre Wirkung auf den Menschen. Ringsherum saßen an die dreißig Zuhörer und verfolgten gespannt das Symposion.
Aleida Assmann, Professorin für Anglistik in Konstanz, zählte zunächst eine Hand voller Gaben unserer Vorstellungskraft auf. Mit ihrer Hilfe würden Wunschwelten kreiert, toten Dingen würde Leben eingehaucht, aber vor allem würden durch die Vorstellungskraft auch unsere Vorstellungsbilder geschaffen. Dabei bewegten sich diese konstruierten Bilder, so Assmann, nicht nur unterhalb, sondern auch oberhalb der Vernunft. Der Mensch wüsste so lange nicht was er weiß, bis er sich nicht eine kognitive Struktur davon vor sein geistiges Auge geführt hat.
Insofern verurteilte Aleida Assmann die lange Tradition Abbilder zu suchen. Vorstellungsbilder wirkten gerade dadurch, dass sie nicht Bilder von etwas sind. Im Gegenteil stünden diese kreativ konstruierten Bilder für etwas. Über die hiermit verbundenen Gefahren sprach Ludwig Pfeiffer, Professor für Anglistik in Siegen. Es gebe die Gefahr der Überbetonung von einzelnen Vorstellungsbildern. In einer Demokratie sollten bestimmte Regeln befolgt werden, warf der Literaturwissenschaftler ein: „Aber nicht mit Euphorie!“
Schon Aleida Assmann hatte darauf hingewiesen, dass Vorstellungsbilder immer nur in ihrem jeweiligen Kontext klar erscheinen. Und Ludwig Pfeiffer fügte nun hinzu: „Wenn die Kontexte von Vorstellungsbildern vermischt werden, dann zerbrechen sie!“
Ein weiterführendes Problem wurde vom Direktor des Zentrums für Globale Kommunikation der Northwestern University Chicago, Dilip Gaonkar, aufgeworfen. In Zeiten der medialen Massenproduktion von Bildern und Emotionen fehlten dem modernen Menschen schlichtweg Wörter, um diese noch zu beschreiben. Weil der moderne Mensch in der Regel unter Fremden lebt und nur sehr wenige auch dort lebten wo sie geboren wurden, stelle sich die Frage nach Gemeinschaft ermöglichenden Vorstellungsbildern. „Das ist eine Frage der Kontinuität“, bekräftigte Dilip Gaonkar, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und fragte: „Wie ist zum Beispiel die Welt konstruiert in der Vorstellung eines Inders in New York?“
Als die Reihe an der israelischen Soziologieprofessorin Iva Illouz ist, berichtet diese von einer Studie über Vorstellungsbilder in den USA. Kinder an amerikanischen Schulen gaben Auskunft darüber, wie sie sich ein romantisches Essen zu zweit vorstellen. Es zeigte sich, dass achtzig Prozent von den Befragten ein gleiches Bild von einem solchen Abend hatten, der doch eigentliche etwas ganz besonderes sein sollte.
Iva Illouz stellte also die Frage: Wie kommt es, dass wir ein romantisches Essen dennoch als so authentisch erleben? Und die Soziologin führte aus: Es liegt daran, weil die Menschen kulturellen Konventionen folgen. Gerade durch die Gewöhnlichkeit der Vorstellungsbilder von einem romantischen Essen werden solche demnach zu einem ganz ungewöhnlichen Erlebnis. Friedmar Tielker
Friedmar Tielker
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