Aus dem GERICHTSSAAL: Medizinische Hilfe verweigert?
Es steht Aussage gegen Aussage. „Ich litt seit Stunden unter starken Schmerzen im Oberkörper und hatte Angst, dass es ein Herzinfarkt sein könnte“, erzählt Benno B.
Stand:
Es steht Aussage gegen Aussage. „Ich litt seit Stunden unter starken Schmerzen im Oberkörper und hatte Angst, dass es ein Herzinfarkt sein könnte“, erzählt Benno B.* (53) vor Gericht. Doch Dr. Günther G.* (54) Dienst habender Mediziner des kassenärztlichen Notfalldienstes, den er am 12. März 2006 deshalb telefonisch um Hilfe bat, soll nur gesagt haben: „Aber doch nicht Sonntagnacht um halb vier. Kommen Sie morgen um neun Uhr in meine Praxis.“ Benno B. wählte erneut die Notrufnummer 112 der Feuerwehr, die ihn zuvor an den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst verwiesen hatte, machte nachdrücklich auf seine Beschwerden aufmerksam. Jetzt wurde dem Potsdamer ein Rettungswagen geschickt, der ihn ins Krankenhaus brachte. Dort wurde tatsächlich ein Herzinfarkt diagnostiziert. Als Benno B. wieder genesen war, erstattete er Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung gegen Dr. Günther G.
Der Chirurg auf der Anklagebank bestreitet den Vorwurf. Der Anrufer habe in jener Nacht über Rückenschmerzen geklagt und einen Muskelkater vermutet. „Er wollte mir seinen Namen nicht nennen und beendete das Gespräch von sich aus“, berichtet Dr. Georg G. Daher sei es ihm nicht möglich gewesen, den Mann ausführlich zu befragen, um entsprechend zu reagieren. „Der Herr Doktor war der Meinung, ich solle meinen Herzinfarkt morgens in seiner Praxis bekommen und nicht zu nachtschlafender Zeit“, kontert Benno B. erbost. „Da dachte ich, mit dem redest du jetzt nicht weiter. Sonst gehst du wirklich noch über den Jordan.“
Benno B. habe sich in einem lebensbedrohlichen Zustand befunden, bestätigt die medizinische Sachverständige. Normalerweise hätte ihm von der Feuerwehr-Leitstelle sofort ein Rettungswagen geschickt werden müssen. Der kassenärztliche Bereitschaftsdienst sei der falsche Ansprechpartner, da er für Notfälle nicht ausgerüstet sei. Er habe die Aufgabe, nicht lebensgefährlich erkrankte Patienten zu beraten, sei aber nicht verpflichtet, Hausbesuche zu machen. Wie kritisch der Zustand des Anrufers war, habe der Angeklagte aus der Ferne nicht erkennen können. Allerdings – so die Gutachterin – hätte er sich dazu entschließen müssen, etwas zu unternehmen. Die Staatsanwältin sieht den Anklagevorwurf bestätigt, beantragt eine Geldstrafe von 1000 Euro für den Mediziner. Der Verteidiger fordert Freispruch. Er hegt ernsthafte Zweifel, dass Benno B. ausdrücklich auf seinen Herzinfarkt-Verdacht aufmerksam machte. Amtsrichter Thomas Lange folgt dem Antrag, schickt jedoch hinterher: „Was da geschehen ist, war keine große Leistung des Mediziners. Allerdings war sein Verhalten nicht strafbar.“ (*Namen geändert.)Hoga
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: