Homepage: Mehr als ein Schönheitswettbewerb Joyce A. Berkman rollte die Geschichte des Schönheitswettbewerbs zur „Miss America“ auf
Ein nationales Ereignis der Populärkultur ist die jährlich stattfindende Wahl zur „Miss America“ immer noch. Auch wenn es so aussieht, als ob ihre Beliebtheit allmählich abebben würde.
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Ein nationales Ereignis der Populärkultur ist die jährlich stattfindende Wahl zur „Miss America“ immer noch. Auch wenn es so aussieht, als ob ihre Beliebtheit allmählich abebben würde. Die Fernsehübertragung des Endausscheids, der traditionell seit 1921 in Atlantic City statt findet, ist eine der ältesten TV-Programme in den USA und hat immer noch hohe Einschaltquoten. Hinter dem „Miss America“-Programm steht außerdem ein riesiges Stipendien- und Fördersystem, das jährlich tausende junge Frauen unterstützt. Der Wettbewerb zur „Miss America“ ist viel mehr als bloß ein Schönheitswettbewerb, wie wir ihn von „Miss Bahnhofspassagen“ oder auch von „Miss Germany“ kennen. Wenn Miss Alabama oder Miss Idaho in den verschiedenen Unter- und Vorwahlen ermittelt werden, steht jedes Mal für die jungen Kontrahentinnen der amerikanische Traum auf dem Spiel. Natürlich geht es auch immer um widerstreitende nationale Identitäten. Nord gegen Süd, Osten gegen den Westen.
Joyce A. Berkman, Professorin für Womens Studies an der University of Massachusetts in Amhurst, fiel auf, dass trotz des unverkennbaren Einflusses der „Miss America“ auf das Frauenbild in den USA, der Wettbewerb bis dahin noch nie im Fokus der Frauenforschung gestanden hat. Berkman, die gerade für einen Forschungsaufenthalt an der FU gastiert, und vom Potsdamer Lehrstuhl für Geschlechterverhältnisse zu diesem Vortrag an die Universität eingeladen worden war, ging in die Video-Archive der mächtigen Veranstaltungsgesellschaft, analysierte die Bilder und drehte für die „Network Station Society“, eine Art öffentlich-rechtlichen Fernsehverbund mit bis zu 40 Millionen Zuschauern, den Fernsehfilm „American Experience: Miss America“.
Eigentlich, sagt Berkman und zitiert eine Kollegin, sei „jeder Tag im Leben einer Amerikanerin ein Miss-America-Wettbewerb“. Mittlerweile gäbe es Ausscheidungen sogar schon für Achtjährige. Wer dort teilnimmt, hat die Schönheits- und auch Verhaltensstandards, die in den Statuten festgelegt, längst akzeptiert und verinnerlicht. Neben ebenmäßiger, makelloser Schönheit sind das Sittsamkeit und allgemeine Tugendhaftigkeit. Maßstäbe wurden an die „Miss America“ gelegt, wie sie nur von Auserwählten erfüllt werden können. Sieht man in Berkmans Film die historischen Aufnahmen und hört die salbungsvollen und doch so inhaltsleeren Worte der Kandidatinnen, die alle mit dem breitesten Zahnpastalächeln antreten, wie sie die Showtreppe hinunterstolzieren, so wird auch deutlich, dass sich hier die USA eine Sehnsucht erfüllen. Vielleicht soll dem mächtigen Präsidenten eine Königin zur Seite gestellt werden, die wie er vom Volk gewählt wird. Immerhin, so berichtet Berkman, sei kein Krieg gefochten worden, in dem nicht die amtierende Miss America die Truppe besucht hätte. Kurios auch, dass die „Miss America“ den Untertitel „das schönste Mädchen der Welt“ verliehen bekommt.
Die Geschlechterforschung interessieren natürlich vor allem die Veränderungen im Frauenbild. Berkman schildert, wie in den sechziger Jahren die reinen Körperpräsentationen in Badeanzug durch Anforderungen ergänzt wurden, die die „Innere Schönheit“ der Kandidatin aufleuchten lassen sollten. Heutzutage müssen die Schönheiten sogar soziales Engagement beweisen. Sie strahlen in die Kamera und sagen dann Sätze wie: „Ich bin die Miss South-Dakota und ich setzte mich für Tierrechte ein.“
Die beschauliche Ruhe des Contests wurde zum ersten Mal in den wilden Zeiten der Frauenbewegung um 1968 gestört. Es gab auf den Stufen zur Veranstaltungshalle „No-more-Miss-America“ Rufe aus der Frauenbewegung. Die Verbrennung von Büstenhaltern, so wies Berkman allerdings nach, das „Bra-Burning“, das zu einiger Berühmtheit gelangte, war eine gezielte Erfindung der Medien.
Im Jahre 1983 erlebte der Wettbewerb seinen Höhepunkt mit einem Skandal. Vanessa Williams war die erste Schwarze, die den begehrten Titel gewann. Für viele war Williams die beste „Miss America“, die jemals gewählt wurde, wohl auch wegen ihrer engagierten Reden. Als dann nicht-autorisierte Nacktaufnahmen im „Penthouse“ erschienen, die Williams vor Jahren bei einem schmuddeligen Fotografen gemacht hatte, wurde ihr der Titel nachträglich aberkannt. Bürgerrechtler sahen darin einen Affront gegen die afro-amerikanische Minderheit in den USA. Die Ausgabe des Hochglanzmagazins brach mit über 20 Millionen verkauften Exemplaren alle Verkaufsrekorde. Und Williams war trotzdem ein Star. That“s America.
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