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Landeshauptstadt: „Mehr Ältere, mehr Blindheit“

Sozialwerk: Begegnungsstätten zu wenig gefördert / Jubiläum: 25. Infobrief

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Sozialwerk: Begegnungsstätten zu wenig gefördert / Jubiläum: 25. Infobrief Der Vorsitzende des Sozialwerks Potsdam, Chefarzt Dirk-Peter Schulze, und Geschäftsführer Reinhard König geben im Januar den 25. Infobrief des Sozialwerks heraus – aus diesem Anlass ziehen sie Bilanz zur Situation der Blinden und Sehbehinderten in Potsdam. Eine Frage an den Augenarzt: Was fangen Blinde mit einem Info-Brief in normalem Druck an? Dr. Schulze: Das scheint zunächst nicht zusammenzupassen. Aber unser Verein – und das Infoblatt ist ja für alle Vereinsmitglieder da – besteht nicht nur aus Blinden, sondern auch aus sehr vielen Sehenden. Dann haben wir eine große Gruppe von Sehschwachen, die mit Lupen und Lesegeräten diesen Info-Brief selbst lesen. Schließlich gibt es die Blinden, die den Text vorgelesen bekommen. Theoretisch müssten wir den Infobrief in Braille-Schrift herausgeben, aber das ist vom Aufwand her nicht vertretbar. Herr König, Sie sind Redakteur dieser Schrift. Wie hoch ist die Auflage und welche Reaktion verzeichnen Sie auf die Infobriefe? König: Wir drucken 750 bis 800 Exemplare des Infobriefes, der zweimal im Jahr erscheint. Die Kritik ist uns besonders wichtig. Wir schicken den Brief ja ins Haus und hören immer wieder, dass er gern gelesen wird. Vom Aufbau her ist er für das Lesegerät geeignet. Die Fotos sind an den Rand gerückt, um die Unterbrechung der textlichen Gestaltung zu vermeiden. Die Infoschrift enthält Neuheiten unserer Beratungsstelle und gesetzlicher Bestimmungen, Berichte von Vereinsmitgliedern und den Veranstaltungskalender. Als Leitartikler haben Sie unter anderen den ehemaligen Bundespräsidenten Johannes Rau oder den früheren Ministerpräsidenten Manfred Stolpe gewinnen können. Wie wichtig ist es, dass sich Prominente für die Belange der Blinden und Sehbehinderten einsetzen? König: Das ist ganz besonders wichtig, weil wir über diese Persönlichkeiten die Zuwendung für den Verein und die Klientel der Blinden und Sehbehinderten steigern können. Politiker äußern Verständnis für behinderte Menschen, der Mythos der Entfremdung wird entschärft. Es bedeutet gleichzeitig eine Art Anerkennung für die Vereinstätigkeit. Dr. Schulze: Unser Verein erhebt ja nur einen minimalen Mitgliedsbeitrag, davon kann er nicht existieren. Über Prominente und Sponsoring gibt es immer mal wieder die Möglichkeit der Unterstützung, wofür wir sehr dankbar sind. Das Sozialwerk Potsdam, in der Wendezeit entstanden, ist unter den Blindenverbänden ja eine Besonderheit. Welche Aufgaben erfüllt es konkret? Dr. Schulze: Das Konzept ist so angelegt, dass das Problem von Blindheit und Sehschwäche von allen Seiten beleuchtet wird. Wir haben zum einen die medizinische Seite, zum anderen die juristische, es gibt soziale Hilfe – wir versuchen also von allen Seiten Unterstützung zu geben. Und was ganz wichtig ist: Wir versuchen die Blinden und Sehschwachen aus der Isolation herauszuholen und ihnen die Möglichkeit zu geben, sozialen Kontakt herzustellen. Wir haben eine spezielle Beratungsstelle und ständig Veranstaltungen, darunter nicht nur Ausflüge. Wir haben auch medizinische Kompetenz zu bieten und können immer einen Rat geben, wenn Probleme auftauchen. Wie stellt es der Geschäftsführer an, den Verein finanziell über Wasser zu halten? König: Das ist nicht ganz so einfach. Wir müssen die Beratungs- und Informationsstelle am Alten Markt 10 finanziell abdecken. Dort sind Mitarbeiter beschäftigt, die einen Arbeitsvertrag haben und monatlich ihr Geld beziehen. Hier ist die Hauptfinanzierungsschiene die Stadt und das Land Brandenburg. Selbstverständlich gibt es darüber hinaus finanzielle Hilfen über Sponsoren und Geschäftsleute, Vereinsmitglieder und die Mittelbrandenburgische Sparkasse Potsdam. Für den Druck des Infobriefes können in der Regel Sponsoren gewonnen werden – für die aktuelle Jubiläumsausgabe haben uns die Potsdamer Neuesten Nachrichten einen Betrag überwiesen. In Potsdam gibt es ungefähr 350 blinde Menschen. Das ist eine kleine Minderheit. Welchen Anteil nimmt die Öffentlichkeit an den Problemen dieser Menschen? Dr. Schulze: Die Anteilnahme der Öffentlichkeit ist sehr groß, denn jeder Blinde, der irgendwo auftaucht, zieht im positiven Sinne die Aufmerksamkeit auf sich. Wir bemühen uns, ein reiches Vereinsleben zu gewährleisten, wobei wir viel Unterstützung auch von Menschen erhalten, die keine Mitglieder des Vereins sind. Doch nicht immer sind wir uns mit der Politik einig. Wir werden in Zukunft sehr viel mehr ältere Menschen haben und damit auch mehr Blindheit. Die Politik tut sich schwer zu begreifen, was auf uns zukommt, denn es wird nötig sein, Blinde auch in größeren Einrichtungen zusammenzufassen, um soziale Kontakte zu ermöglichen. Die Förderung solcher Begegnungsstätten und Heime ist noch völlig unterentwickelt. König: Die Beratungsstelle und unser Verein sind sehr bemüht, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren. Die Potsdamer Presse hat zum Tag der Sehbehinderung oder auch zum Tag des Weißen Stockes umfangreich informiert. Wir haben zudem das von der Stadtverwaltung initiierte Behindertenforum, wo für die Mitarbeiter der Beratungsstelle die Möglichkeit besteht, auf die Probleme der Blinden und Sehbehinderten hinzuweisen. Wir spüren großes Entgegenkommen und Hilfsbereitschaft der Potsdamer. Manches aber könnte besser sein, wie die Absperrungen von Baustellen, das Aufstellen von Reklameschildern auf Straßen und Gehwegen, das Abstellen von Fahrrädern oder ungeordnetes Parken. Das Interview führte Günter Schenke

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