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Landeshauptstadt: Mehr Mitbestimmung als Lösung?

Nach dem Scherbenkehren suchen SPD und CDU nach Mehrheiten für den Landtagsbau am Alten Markt

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Den hinterlassenen Scherbenhaufen zusammenkehren und die letzte Chance ergreifen, hieß es am Tag nach der Blockade des Landtagsneubaus aus den Potsdamer Fraktionen. Dazu kündigte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) für den 14. November eine Sondersitzung der Stadtverordneten an, auf der mit einem positiven Votum der formelle Grundstein für den Landtagsneubau am Alten Markt gelegt werden soll. In einem Brief an den Landtagspräsidenten Gunter Fritsch (SPD) erklärte Jakobs, sollte die Auslegung des Bebauungsplanes an diesem Tag beschlossen werden, würde es keine Verzögerungen im bisherigen Zeitplan geben. Dann könnte der Beschluss wie geplant Ende November veröffentlicht und am 8. Dezember ausgelegt werden.

Der Beschluss der Stadtverordneten gilt als Grundlage für Landtagsbau und als Startschuss für das Wettbewerbsverfahren, an dem sich sechs Konsortien aus Banken, Baukonzernen und Architekten beteiligen wollen. Wie berichtet, scheiterte das Vorhaben am Mittwochabend durch einen Patt in geheimer Abstimmung. 22 Stadtverordnete votierten dafür, 22 dagegen.

Dabei zerbrach erstmals seit Jahren die so genannte Stadtschlosskoalition aus SPD, CDU und Bündnis90/Grüne, die gemeinsam 24 Stimmen in der 50-sitzigen Stadtverordnetenversammlung haben. Peter Schüler hatte die nicht offiziell festgelegte Koalition am Mittwochabend für diesen Fall des Landtagsneubaus aufgekündigt, da ihm die Vorgaben für den Bau im Bebauungsplan Landtag nicht genug von dem historischen Vorbild à la Knobelsdorff beinhalteten. Auch der Änderungsantrag der CDU ging ihm nicht weit genug. Für die Christdemokraten, deren Fraktionschef Steeven Bretz auch am Tag nach der Abstimmung seinen Antrag auf geheime Wahl als richtigen Schritt ansah, ging zudem ein kleiner Nebenkriegsschauplatz verloren. Mit einer Mehrheit für den Vorschlag wäre es nach dem geglückten Antrag zum Niemeyer-Bad im Dezember 2005 der zweite CDU-Antrag binnen eines Jahres gewesen, durch den ein auf der Kippe stehendes Potsdamer Großprojekt gerettet hätte werden können. „Schon allein deshalb hat kein CDU-Fraktionsmitglied in der geheimen Abstimmung mit Nein oder Enthaltung gestimmt“, sagte Bretz. Wer die Gegenstimmen seien, wäre inzwischen egal, so Bretz. Jetzt müsse nach vorn geschaut werden, um weiteren Schaden abzuwenden. Auch der SPD-Fraktionschef Mike Schubert sagte, er sei dankbar, dass es am Tag nach dem Patt von seiten des Landes keine Stimmen gab, die eine sofortige Abkehr von dem Projekt gefordert haben. Nun gebe es eine zweite Chance. Zwar missbilligten Landespolitiker von SPD und CDU das Abstimmungsverhalten, appellierten jedoch an die Vernunft (siehe Kasten).

Für SPD und CDU beginnt das Werben um eine Mehrheit für den Landtagsneubau nun von vorn. „Wir werden versuchen, die Mitbestimmung der Stadt bei der Auswahl des Entwurfes zu erweitern“, erklärte SPD-Fraktionschef Mike Schubert gestern. Für ihn sei dies ein Hauptkritikpunkt aus der Debatte gewesen. Während die vielleicht noch möglichen baulichen Veränderungen die Fachleute entscheiden und dann vorlegen sollen, sieht er einen Ansatzpunkt bei der Mitbestimmung. Bislang sollte ein Gremium die zu erwartenden Landtagsentwürfe auswerten und anhand einer Matrix – unter anderem mit Punktwertungen für Kosten, Architektur und Betriebskosten – beurteilen. In dem Gremium sollte als einzige Stimme der Stadt Oberbürgermeister Jakobs sitzen.

Um eine Stimmenmehrheit zu bekommen, muss sich nach Aussagen von Hans- Jürgen Scharfenberg von der Linkspartei.PDS „die andere Seite“ wieder organisieren. Er wolle bei seinem Veto gegen den Landtag in der Mitte bleiben, komme was wolle, kündigte der Stadtverordnete und Landtagsabgeordnete noch am Mittwochabend an. Dabei hatte Scharfenberg in einem Interview mit dieser Zeitung vor sechs Jahren gesagt, „auch das Berliner Adlon ist für mich moderne Architektur. Aus Rücksicht auf das Gesamtensemble sollte am Alten Markt modern, aber historisierend gebaut werden, jedoch keine lupenreine Stadtschlosskopie“. Zuletzt hat sich der „dictator fractionis“, wie Scharfenberg kürzlich in einer CDU-Zeitung karikiert wurde, komplett gegen den Landtagsbau auf dem Areal des früheren Stadtschlosses am Alten Markt ausgesprochen. Nach Aussage seiner politischen Gegner habe er sich damit gegen die Leitbilder seines eigenen Kreisverbandes gestellt. Der hat sich in seinem Grundsatzpapier vom 5. April 2003 für eine neue „alte“ Mitte ausgesprochen. Diese sei „unter Einbeziehung von vorhandenen Fundamenten in einer Synthese aus Altem und Neuem zu schaffen“, heißt es in dem Papier.

Dass die Idee eines Landtagsneubaus am Alten Markt in der Stadt grundsätzlich befürwortet wird, zeigte die Abstimmung über den dafür notwendigen Flächennutzungsplan am Alten Markt am Mittwochabend. Nach der Entscheidung gegen den Bebauungsplan stimmten die Stadtverordneten trotz zahlreicher Gegenstimmen für das Vorhaben. Dabei hatte sich die Stadtschlosskoalition aus CDU, SPD und Bündnis90/Grüne wieder gefunden. Einzig umbenannt wurde der Plan: von „Potsdamer Mitte – Stadtschloss“ in „Sondernutzungsgebiet Landtag“.

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