Neulich in der MENSA: Mehr Sex?
Wenn man von der Innenstadt zur Mensa am Alten Markt geht, gibt es einen Schleichweg. Er führt durch den Hinterhof des als Staudenhof bekannt gewordenen Plattenbaublocks, der in fernerer Zukunft geschliffen werden soll.
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Wenn man von der Innenstadt zur Mensa am Alten Markt geht, gibt es einen Schleichweg. Er führt durch den Hinterhof des als Staudenhof bekannt gewordenen Plattenbaublocks, der in fernerer Zukunft geschliffen werden soll. Vor einiger Zeit war mir dort auf den schmuddeligen Gehwegplatten ein offensichtlich benutztes Kondom aufgefallen. Das kommt schon mal vor, dass so etwas auf der Straße landet. Nun wurden es mit der Zeit aber immer mehr Präservative. Auch ein Tampon gesellte sich hinzu. Woher das wohl kam? Das kleine Gebüsch am Rande konnte nichts damit zu tun haben, es ist schlichtweg zu mickrig, um einem vermeintlichen Liebespaar Deckung zu geben. Hinzu kommt, dass die Anordnung der Hinterlassenschaften auf Wurfgeschosse schließen lässt. Über dem Fundort weht ein kleines Hertha-Fähnchen von einem der Balkone. Nun hat Fußball nicht unbedingt etwas mit Sex zu tun. Aber immerhin mit Exzessen. Doch was will der Gummi-Schütze der Welt sagen? Handelt es sich um eine potenzielle Machtdemonstration? Oder um Kunst im öffentlichen Raum? Es könnte auch eine subtile Form des Protestes sein. Ein stiller Protest, vielleicht gegen das inflationäre Kinderkriegen oder für mehr Sex. Oder gegen den Abriss des Staudenhofes – unter dem Motto, seht her, hier gibt es noch sehr viel Leben. Vielleicht ist es auch ein Hilferuf, alles nur ein Fake, ein Schrei nach Liebe. Aber wer sagt eigentlich, dass die Geschosse nicht aus einer der Seniorenwohnungen in dem Block kommen. Vielleicht doch kein Protest, sondern vielmehr eine Ode an die Errungenschaften der pharmazeutischen Industrie? W. Kotti
W. Kotti
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