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Landeshauptstadt: Mehr Strafen, weniger Klagen

Das Potsdamer Jobcenter verhängt so viele Sanktionen wie noch nie gegen Hartz-IV-Bezieher

Stand:

Das Potsdamer Jobcenter greift weiterhin hart gegen Hartz-IV-Empfänger durch, die sich nach Auffassung der Behörde nicht genügend um eine Rückkehr in den Arbeitsmarkt bemühen. Das geht aus Statistiken hervor, die den PNN auf Anfrage vorliegen. So sind laut einer vorläufigen Aufstellung allein bis zum vergangenen August innerhalb eines Jahres knapp 2750 Strafen verhängt worden – so viele wie nie zuvor und rund 13 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Bereits 2012 hatte die Behörde deutlich mehr Sanktionen gegen Hartz-IV-Bezieher als noch 2011 vermeldet, schon damals war von Rekordwerten die Rede. Die PNN geben einen Überblick über die Auseinandersetzungen zwischen Jobcenter und Hartz-IV-Beziehern.

Strafen gegen Hartz-IV-Bezieher

Die mit Abstand meisten Strafanordnungen hat es erneut für Meldeversäumnisse gegeben, also wenn die Jobcenter-Kunden ohne triftigen Grund nicht zu einem Treffen mit dem Arbeitsvermittler kamen. Bis August 2014 zählte das Jobcenter 2267 solcher Fälle – knapp 19 Prozent mehr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Rückläufig war hingegen die Verweigerung der Aufnahme einer Arbeit, Ausbildung oder die Teilnahme an Fördermaßnahmen. Bis August 2014 verhängte das Jobcenter deswegen 250 Sanktionen – im Vergleich zu 291 Fällen im Vorjahreszeitraum. Im Jobcenter, in dem im vergangenen Jahr durchschnittlich rund 10 500 Arbeitslosengeld-II-Empfänger betreut wurden, wird die steigende Zahl der Sanktionen seit Jahren auf die gute konjunkturelle Lage in Potsdam zurückgeführt: Daher könne man viele Angebote an die Kunden weitergeben – im Umkehrschluss sei zum Beispiel auch die Zahl der verpassten Termine gestiegen. Behörden-Sprecherin Isabel Wolling machte deutlich, dass sich diese Entwicklung fortgesetzt habe.

Für die Betroffenen – es geht aktuell um etwa drei Prozent aller Potsdamer Hartz-IV-Bezieher – hat das Konsequenzen: Im Schnitt sei die Leistung bei einer Sanktion um 97,10 Euro pro Person gekürzt worden, wie aus der Statistik hervorgeht. Für einen ausgelassenen Termin werden zum Beispiel die Leistungen für ein Vierteljahr um zehn Prozent gekürzt, das sind etwa 32 Euro pro Monat. Der Hartz-IV-Regelsatz betrug zuletzt in Potsdam durchschnittlich 334 Euro, für dieses Jahr sind die Sätze leicht gestiegen.

Die von Strafen Betroffenen wehren sich relativ selten. Bis Ende August gab es 2014 lediglich 163 Widersprüche, 274 waren es im Jahr zuvor. Erfolg mit ihrem Einspruch hatten die angezählten Hartz-IV-Bezieher insgesamt in etwa der Hälfte der Fälle.

Klagewelle ebbt ab

Die Klagewelle von Hartz-IV-Empfängern gegen das Jobcenter geht weiter zurück. Aktuell sind 1394 Verfahren bei Sozialgerichten anhängig, vor einem Jahr waren es rund 550 mehr. Gesunken sind damit auch die Kosten, die dem Jobcenter durch Klagen und Widersprüche gegen fehlerhafte Hartz-IV-Bescheide entstanden seien – von 496 000 auf 443 000 Euro pro Jahr. 2011 lag diese Zahl allerdings noch bei nur 274 000 Euro. Den rapiden Anstieg danach hatte das Jobcenter damit begründet, dass am bis dato überlasteten Sozialgericht wegen zusätzlich eingestellter Richtern verstärkt auch ältere Verfahren beendet worden seien.

Gesunken ist auch die Zahl der Kundenwidersprüche – von knapp 3400 auf 3000. 2012 gab es sogar noch 4300 Widersprüche. Rund ein Drittel der aktuellen Beschwerden enpuppte sich als vollständig oder teilweise berechtigt – im Vorjahr waren es noch 36, 2012 sogar noch 38 Prozent. Vor zwei Jahren hatte das Jobcenter auch ein neues Beschwerdemanagement eingeführt.

Die Zufriedenheit der Potsdamer Hartz-IV-Bezieher mit dem Jobcenter pendelt bei Umfragen auf einer Zensurenskala seit Jahren bei 2,5 bis 2,6 – also „gut“ bis „befriedigend“. Viermal musste die Polizei 2014 im Jobcenter anrücken, etwa wegen Pöbeleien gegen Behördenmitarbeiter – im Jahr zuvor gab es noch acht solcher Fälle.

Positive Entwicklung am Arbeitsmarkt

Die Zahlen stehen vor dem Hintergrund einer guten Entwicklung am Arbeitsmarkt: Zuletzt hatte die Arbeitsagentur für das vergangene Jahr eine durchschnittliche Arbeitslosenquote von 7,3 Prozent für Potsdam gemeldet – die geringste Quote seit 1991. Auch die Quote der Hartz-IV-Bezieher in der Landeshauptstadt lag 2014 mit 4,9 Prozent auf einem Tiefstand. Dadurch wird auch der kommunale Haushalt entlastet – wie es aus der Agentur hieß, um rund 60 000 Euro pro Monat, die eigentlich für Hartz-IV-Bezieher vorgesehen waren.

nbsp;Henri Kramer

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