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Landeshauptstadt: Mehrere Meter durch die Luft geschleudert

Polizeibeamter bei Verkehrskontrolle schwer verletzt / Täter angetrunken / Opfer außer Lebensgefahr / Innenminister vor Ort

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Berliner Vorstadt - Nur noch etwa 15 gelbe Kreidestrich-Paare auf der Fahrbahn zeugten gestern Mittag von dem, was sich Stunden zuvor auf der Berliner Straße nahe der Schiffbauergasse ereignet hatte: Kurz vor 4 Uhr morgens wurde ein 48-jähriger Polizeihauptkommissar aus Potsdam von einem betrunkenen Autofahrer angefahren und schwer verletzt.

Jörg Barthel, stellvertretender Potsdamer Polizeichef, schilderte gestern vor Ort das bisher ermittelte Geschehen: Vermutlich nach dem Besuch einer Veranstaltung im „Waschhaus“ steigt ein 25-jähriger Autofahrer in seinen Smart Roadster, verlässt das Gelände der Schiffbauergasse. Dabei fährt er in falscher Richtung durch eine Einbahnstraße. Der junge Mann will nach links stadteinwärts abbiegen, als er auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine Verkehrskontrolle entdeckt. Daraufhin reißt er das Lenkrad nach rechts herum, gibt kräftig Gas und fährt direkt auf die zweite Polizeikontrolle stadtauswärts zu. Auf der Kreuzung Berliner Straße/Otto-Nagel-Straße steht, so berichtet Barthel, „ein sehr großer, stämmiger“ Polizeibeamter, der mit ausgestreckter beleuchteter Kelle das Fahrzeug zum Stoppen bringen will. Diesen Posten kann der 25-Jährige noch umfahren. Dem ein paar Meter weiter stehenden 48-jährigen Kollegen kann der junge Mann offenbar nicht mehr ausweichen und erwischt ihn voll. Der Polizist wird durch die Wucht des Zusammenstoßes mehrere Meter durch die Luft geschleudert, wie die Kollegen und andere Zeugen später aussagen. Bei dem Aufprall zersplittert das Verbundglas der Frontscheibe komplett.

„Der Fahrer konnte nichts mehr sehen und hielt sofort an“, erklärte der stellvertretende Polizeichef. Danach habe sich der 25-jährige Potsdamer, so Bartel, ohne Widerstand festnehmen lassen. Er befindet sich seit gestern morgen zur Ausnüchterung in Polizeigewahrsam. Ein Atemalkoholtest hatte bei ihm 1,49 Promille ergeben. Eine Vernehmung des Tatverdächtigen sei erst im nüchternen Zustand sinnvoll – damit man verwertbare Aussagen habe, sagte Polizeipräsident Bruno Küpper, der am Mittag gemeinsam mit Innenminister Jörg Schönbohm zum Ort des Geschehens geeilt war. Schönbohm forderte eine möglichst schnelle Aufklärung der Tat – und dass der „junge Täter mit aller Konsequenz und aller Härte zur Rechenschaft“ gezogen werde.

Zur Unfallaufnahme war gestern Morgen auch ein Polizeihubschrauber im Einsatz, der aus der Luft Bilder gemacht habe, sagte Polizeisprecherin Angelika Christen. Auch ein Dekra-Gutachter sei beauftragt, der nun ermitteln solle, wie schnell der Smart im Moment der Kollision gewesen sei. Sollte sich herausstellen, so Schönbohm, dass der junge Mann extra beschleunigt und absichtlich auf den Polizisten zugefahren sei, könne er im Höchstfall wegen versuchten Mordes angeklagt werden. Der Innenminister verurteilte das Verhalten des Autofahrers zutiefst. Er verstehe nicht, wie man sich mit solcher Leichtfertigkeit der Entdeckung einer Trunkenheitsfahrt entziehen könne. Glücklich zeigte sich Schönbohm darüber, dass der Polizist außer Lebensgefahr sei. Das habe früh morgens noch anders ausgesehen. Die Kopfverletzung sei aber nicht so schlimm, wie anfänglich vermutet. Der 48-Jährige wurde am Bein operiert, Ober- und Unterschenkel seien gebrochen. Nach dem gestrigen Eingriff sei er ins künstliche Koma versetzt worden und liege auf der Intensivstation des Bergmann-Klinikums.

Der Hauptkommissar sei gebürtiger Rheinländer und seit 1994 im brandenburgischen Polizeidienst. Vor fünf Jahren wurde er Dienstgruppenleiter im Schutzbereich Potsdam. Er hat eine 20-jährige Tochter. Seine Lebensgefährtin ist ebenfalls Polizistin in Potsdam und habe die Nachricht gefasst aufgenommen, so Schönbohm. Die fünf Kollegen, die mit dem 48-Jährigen die Verkehrskontrolle durchführten und den Unfall beobachteten, seien zu Hause im Bett, sagte der stellvertretende Leiter des Schutzbereichs. Sie seien in dieser Woche zur Nachtschicht eingeteilt und mussten gestern Abend wieder ihren Dienst antreten. Auf die angebotene Hilfe durch den Seelsorger hätten alle verzichtet, so Barthel.

Der Verkehr auf der Berliner Straße floss ab Mittag wieder. Zuvor war der Abschnitt zwischen Glienicker Brücke und Nuthestraße stundenlang komplett gesperrt gewesen.

Nicola Klusemann, Juliane Schoenherr

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