Landeshauptstadt: Mehrfach benachteiligt
Arbeitskreis gegen Gewalt an Migrantinnen gegründet / Frauenzentrum fordert stabile Finanzierung
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Innenstadt - Es ist ein Dilemma, das ausweglos erscheint: Zuhause drohen Schläge vom gewalttätigen Mann, bei einer Trennung von diesem Mann droht die Abschiebung ins Herkunftsland. 40 Prozent der bis zu 20 Bewohnerinnen des Potsdamer Frauenhauses sind mittlerweile Migrantinnen, erklärte Mitarbeiterin Simin Tabeshian gestern anlässlich des „Tages gegen Gewalt an Frauen“.
Im Herbst habe sich deshalb der Arbeitskreis „Migration und Gewalt“ gebildet, sagte sie. Beteiligt seien unter anderem die Ausländerbeauftragte Magdolna Grasnick, das Autonome Frauenzentrum als Träger des Frauenhauses und der Beratungsstelle, die Flüchtlingsberatungsstelle des Diakonischen Werkes, Monique Tinney, die Ausländerseelsorgerin der evangelischen Kirche Potsdam, die jüdische Gemeinde, der Mädchentreff „Zimtzicken“ und das AWO-Asylbewerberheim am Lerchensteig.
„Wir wollen die ausländischen Frauen noch besser erreichen“, so Tabeshian. Denn sie wären bei häuslicher Gewalt gleich mehrfach benachteiligt. Weil sie kaum deutsch sprechen, gelinge es ihren Männern oft, sich gegenüber der Polizei oder Richtern durchzusetzen und etwa die Kinder zugesprochen zu bekommen. Die Migrantinnen benötigten Dolmetscher und Begleitung bei Amtsgängen.
Arbeitslose Frauen bis 25 Jahre stehen seit einer Änderung des Hartz-IV-Gesetzes vor einem anderen Problem: Sie müssen zu Hause wohnen bleiben, so lange sie staatliche Unterstützung bekommen. „Das ist ein neuer Arbeitsschwerpunkt bei uns“, sagte Monika Kirchner, Mitarbeiterin der Zufluchtswohnung des Frauenzentrums. Jede zweite Bewohnerin der Wohnung mit insgesamt acht Schlafplätzen zähle heute zu dieser Gruppe.
Insgesamt ist das Frauenzentrum in diesem Jahr an seine Kapazitätsgrenzen geraten: 1112 Beratungen habe es gegeben, erklärt Lydia Sandrock von der Beratungsstelle. Dabei sei es erstmals zu Wartezeiten von zwei bis drei Wochen gekommen. Der Andrang zur Zufluchtswohung sei so groß, dass die Frauen oft an Einrichtungen weitervermittelt werden müssen. Mehr Plätze, auch im Frauenhaus, seien bei der derzeitigen Finanzlage aber nicht möglich. „Wir brauchen eine stabile Grundfinanzierung“, forderte Sandrock. Bisher muss das Frauenzentrum jährlich neu über Zuschüsse von Stadt, Landkreis und Land verhandeln.
Auch die Polizei verzeichnet in Potsdam einen Anstieg von Delikten gegen Frauen: Gab es 2007 noch insgesamt 192 Fälle von Beleidigung, Bedrohung, Körperverletzung oder Sexualdelikten, waren es in diesem Jahr 214, sagte Polizeisprecherin Angelika Christen auf PNN-Anfrage. Hinzu kommen 23 Fälle von Nachstellung – ein Delikt, das 2007 noch nicht erfasst wurde. In fast 73 Prozent aller Fälle von „häuslicher Gewalt“ sind nach Polizeiangaben Frauen betroffen – 17,7 Prozent sind Männer, jedes zehnte Opfer ist ein Kind. Jana Haase
Das Frauenzentrum, Zeppelinstr. 189, zeigt heute 19 Uhr den Film „Pigs will fly“.
Jana HaaseD
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