Landeshauptstadt: „Mein Kind ist ein Nazi“
Mobiles Beratungsteam unterstützt Selbsthilfegruppe von Eltern mit rechtsextremen Kindern
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„Mein Sohn ist ein Nazi“, sagt Andrea B.* leise. Es macht sie wütend und ohnmächtig zu gleich. Nächtelang hat sie mit ihrem 18-jährigen Sohn Mike* diskutiert. „Seine Gesichtszüge verhärten sich und dann bombardiert er mich mit seinen Parolen“, erzählt die Künstlerin. Andrea B. fängt in solchen Situationen meist an zu weinen. Dann hört Mike auf und geht. Und fährt zu seinem Vater. Seine Eltern leben getrennt. Jetzt will die Mutter aktiv werden und eine Selbsthilfegruppe für Eltern mit rechtsextremen Kindern gründen. „Ich möchte einfach wissen, wie andere in solchen Auseinandersetzungen reagieren“, sagt die Mitvierzigerin.
In Südberlin existiere bereits seit längerer Zeit eine Elternselbsthilfegruppe, sagt Frauke Postel vom Mobilen Beratungsteam Potsdam in Trägerschaft des Brandenburgischen Instituts für Gemeinwesenberatung. Der Austausch mit anderen und das Gefühl, nicht allein zu sein, sei schon hilfreich, meint die Fachfrau. Ihr Team begleite den Aufbau einer solchen Gruppe auch in Potsdam, bietet Frauke Postel Hilfe, aber auch das Angebot der Einzelberatung an. Die Reaktionen betroffener Eltern reichten von dem Gefühl der Ohnmacht bis hin zu akuter Traumatisierung. In letzt genanntem Fall allerdings reiche die Fachkompetenz des Beratungsteams nicht mehr aus. „Wir können aber zu entsprechenden Stellen vermitteln“, sagt Postel.
Bei Mike habe der Gesinnungswechsel etwa vor zwei Jahren begonnen, erinnert sich Andrea B. Ihr Sohn begann sich für die verschiedenen Waffengattungen aus dem Zweiten Weltkrieg zu interessieren. „Er ist ein toller Zeichner“, sagt seine Mutter. Irgendwann zeichnete er aber nur noch Landser oder Gefechtsszenen. Dann habe der 18-Jährige begonnen, den Holocaust zu leugnen und behauptet, in den Büchern sei die deutsche Geschichte falsch dargestellt. „Ich weiß nicht, wie er darauf kommt“, in ihrer Familie denke niemand so und ihre Erziehung sei immer eine tolerante und liberale gewesen. Als sich Mike Nazi-Propaganda-Material an seine Zimmerwände kleben wollte, habe sein Vater ihm das strikt verboten. „Mein Ex-Mann glaubt, dass sei nur eine Phase“, erzählt Andrea B., die die Entwicklung ihres Sohnes mit großer Sorge verfolgt. Jetzt wolle sich Mike einer Kameradschaft anschließen und habe auch schon überlegt, in die NPD einzutreten. Letzteres habe sein Vater ihm ausreden können. In seinem Alter, fürchtet seine Mutter, entziehe sich ihr Kind immer mehr dem elterlichen Einfluss. Sie fürchtet sich vor dem Tag, an dem er sich ihr gar nicht anvertraut, sagt Andrea B. NIK
Eltern mit rechtsextremistischen Kindern, die Beratung suchen oder sich einer Selbsthilfegruppe anschließen wollen, wenden sich an Sekiz, Tel.: (0331) 62 00 280 oder an das Mobile Beratungsteam, Telefon: (0331) 505 88 83.
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