
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Mein Platz, meine Wünsche
Gemeinsam mit Studenten der FH und der Künstlerin Steffi Ribbe gestalten Flüchtlinge alte Stühle neu.
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Templiner Vorstadt - Das Abkleben funktioniert wie bei den Profis. Vorsichtig fädelt Suleman das Malerkrepp durch die Holzstreben und befestigt es an der oberen Rückenlehne seines Stuhls. Die erstrahlt schon in einem grünlichen Blau, die Streben sollen alle noch knallig rot werden. Gemeinsam mit vierzehn anderen Flüchtlingen gestaltet der 13-jährige Syrer im Rahmen des Projektes „Chair It – Dein Platz in Potsdam“ seit Dienstag im Staudenhof alte Holzstühle neu.
„Der Phantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt, allerdings geht es uns vor allem um das Zusammenkommen und Kennenlernen“, sagt Paula Mechels, Studentin an der Fachhochschule (FH) Potsdam. Sie und fünf weitere Kommilitonen haben das Projekt mit Unterstützung des vom Verein Soziale Stadt Potsdam getragenen Wohnungsverbundes Staudenhof sowie den Astas der FH und der Universität organisiert. Ziel ist es, nicht nur Flüchtlinge untereinander, sondern auch mit Potsdamern zu vernetzen und ihnen vor allem Aktivitäten außerhalb von Behördengängen zu ermöglichen. Bereits Anfang des Jahres veranstalteten die Studenten ein „Meet and Eat“ sowie einen Cajon-Workshop – Trommelkurse auf Kisten, Koffern oder ähnlichem – im Staudenhof. Die aktuelle Aktion setzt nun vor allem auf Farbe. Noch bis zum morgigen Freitag sollen achtzehn von Potsdamern gespendete Stühle mit Farben, Stoff, Glasperlen und Musterpapier aufgepeppt werden. Unterstützt werden die Teilnehmer von Künstlerin Steffi Ribbe, die mit ihrer Atelier-Werkstatt „Farbknall“ ein Profi auf dem Gebiet der Möbelneugestaltung ist. Bereits im vergangenen Jahr verschönerte sie Sitzgelegenheiten für den Staudenhof, um dem tristen Grau der Räume etwas Charme zu geben, wie sie sagt. „Ich finde es schön, hier meinen Beruf und mein Helfersyndrom vereinen zu können“, so Ribbe. Für sie sei es unglaublich spannend, den Austausch zu erleben und eben auch mal mit einem Küchengerät oder ähnlichem auszuhelfen, wenn es irgendwo gebraucht wird.
Teilnehmerin Casha hat durch die neuen Kontakte sogar schon Aussicht auf Arbeit, wie sie erzählt. Die 38-Jährige aus Somalia ist seit drei Jahren in Potsdam, ihr Mann ist vor zwei Monaten nachgekommen. Die beiden leben bereits in einer eigenen Wohnung, Potsdam gefällt ihnen. „Die Menschen hier sind freundlich, viele helfen“, sagt sie. Dennoch, der regelmäßige Kontakt zu den Nachbarn fehlt. Bei dem Stuhl-Projekt hingegen hat sie nicht nur Kontakt zu ihren ehemaligen Mitbewohnerinnen aus der Frauenunterkunft in der Hegelallee, sondern freundet sich auch mit den Bewohnern im Staudenhof an. Das Malen gebe ihr vor allem Abwechslung und mache Spaß. Auf die Frage, warum sie ihren Stuhl in rot und blau anstreicht, antwortet sie simpel: „Ich mag die Farben.“
Das Kunstwerk ist am Ende ohnehin eher Nebensache, wie Paula Mechels sagt. Viel wichtiger seien das Zusammenkommen und das Ausbrechen aus dem Alltag. „Mit den Stühlen haben die Potsdamer den Teilnehmern symbolisch einen Platz gegeben, den sie nun selbst gestalten können“, erklärt Mechels. Genau das solle ja auch im buchstäblichen Sinne geschehen, wie sie sagt. Viel zu selten ginge es schließlich darum, wie der einzelne Mensch sein neues Leben in Potsdam leben möchte. „Wir wollen diese Wünsche gemeinsam mit den Lebensläufen der Teilnehmer sammeln und mit den Stühlen Ende Juni in einer Ausstellung präsentieren“, ergänzt Kommilitone Lukas Marsoner. Wie genau diese Präsentationen aussehen werden, sei aber noch nicht klar. „Es kommt auch darauf an, wie weit sich die Teilnehmer öffnen möchten.“ Ein großes Ziel sei schon damit erreicht, dass die Frauen aus der Hegelallee dazugestoßen seien und ein ständig wechselndes Kommen und Gehen herrsche.
An diesem Samstag wollen sie mit allen Teilnehmern sowie den fertigen Stühlen an verschiedenen Orten in der Stadt Fotos machen. „Wir sind selbst sehr gespannt, was sich bis dahin noch tut“, so Mechels. „Wenn es ,nur’ angemalte Stühle bleiben, ist das aber auch vollkommen in Ordnung.“ Bunt werden die Bilder auf jeden Fall. Schon jetzt sind Stühle in fast jeder Farbe vertreten – die Rückenlehne von Sulemans Projekt schon fast vollständig knallrot. Sarah Kugler
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