Landeshauptstadt: Meine Eltern haben geweint
Hannelore Baare, geborene Höft, harrte als Neunjährige im Luftschutzkeller aus
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Hannelore Baare, geborene Höft, harrte als Neunjährige im Luftschutzkeller aus Kurz vor Kriegsende, am 14. April 1945, wurde Potsdam Ziel eines verheerenden britischen Luftangriffes. Aus Anlass des 60. Jahrestages des Bombardierung schildern sechs Zeitzeugen in einer PNN-Serie, wie sie die Nacht des 14.April er- und überlebt haben. Heute: Hannelore Baare, geborene Höft. Als neunjähriges Mädchen harrte sie mit ihren Eltern und der Schwester in einem Luftschutzkeller in der Innenstadt aus, während die Flieger der Royal Air Force ihre tödliche Ladung über der Stadt abwarfen. In noch jungen Jahren verließ Hannelore Baare Potsdam. Die Mutter von vier erwachsenen Kindern lebt jetzt in Mönchengladbach in Nordrhein-Westfalen, plant aber ihren diesjährigen 70. Geburtstag an der Havel zu feiern. Wie stets in den vergangenen Wochen kam Fliegeralarm, und wir mussten in den Luftschutzkeller. Ich schlief nur noch im Trainingsanzug, damit ich sofort mit meinen Eltern in den Keller laufen konnte. Dort hatte ich ein Notbett – als einziges Kind im Haus – und schlief dann einfach weiter, da ja die Angriffe immer Berlin galten. Ein älterer Mitbewohner lief noch einmal in seine Wohnung, um noch einen Koffer zu holen, als die erste Bombe fiel. Diese Szene ist mir so gut in Erinnerung, weil sie in diesen Minuten so absurd war. Die Frau des älteren Herrn rief nämlich: „Oh Gott, jetzt ist mein Mann die Treppe heruntergefallen!“ Dann aber fielen die Bomben in kurzen Abständen, und die Einschläge kamen immer näher. Der erwähnte alte Herr, allerdings rund wie ein Tönnchen, erreichte mit seinem Koffer noch unseren Keller. Er und noch zwei weitere Herren waren mit in unserem Keller. Die Kellerwände zu den Nachbarhäusern waren nur noch Ein-Stein-Wände und die Spitzhacke lag immer bereit, um den Durchgang einzuschlagen. Die Einzige, die zur Hacke griff, war meine älteste Schwester, die mit ihren beiden Kindern von der Insel Usedom evakuiert worden war und zu dieser Zeit bei uns lebte. Die Männer saßen da wie erstarrt. Meine große Schwester schlug die dünne Mauer ein, und wir hatten Zugang zu den Kellern des nebenan gelegenen Hotels Obelisk. Als die Nebenhäuser in Richtung Luisenplatz Treffer bekamen, flog unsere doppeltürige Haustür mit einem Riesenknall in den Hausflur. Unsere Gefühle waren natürlich zunächst einmal Angst und die Furcht, dass dies nun das Ende sei Irgendwann kam dann die Entwarnung und damit die Erleichterung noch einmal davongekommen zu sein. Dieser schreckliche Angriff war vorüber. Wir gingen wieder in unsere Wohnung in der Hohenzollernstraße 27 (heutige Schopenhauerstraße) und sahen vom Balkon im dritten Stock aus auf die zerstörte und brennende Stadt. Wir waren entsetzt. Und als sich dann noch der Turm der Garnisonkirche neigte mit der im Feuerschein strahlenden Sonne, haben meine Eltern geweint. Mir ist der Anblick der einstürzenden Turmhaube der Garnisonkirche unvergesslich. In unserer Wohnung waren die Scheiben des Bücherschrankes im Herrenzimmer wie auch die Fensterscheiben zerschlagen und durch den Luftdruck war ein Buch auf den Schreibtisch geschleudert worden mit dem schicksalsträchtigen Titel „Das war das Maß“! Ein merkwürdiger Zufall. Am nächsten Tag machten wir uns auf, um nach unseren Verwandten und Freunden zu sehen. Wie durch ein Wunder war keiner verschüttet, obwohl zwei Familien mitten in der Altstadt wohnten, die ja komplett ausgelöscht war. aufgeschrieben von Nicola Klusemann Wegen der großen Resonanz auf unsere Serie zur Potsdamer Bombennacht werden wir weitere Zeitzeugen in loser Folge zu Wort kommen lassen.
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