MEIN WENDEHerbst: Meister-Ehrung
JAHREMAUERFALLDer Herbst 1989 ist als „Friedliche Revolution“ in die deutsche Geschichte eingegangen. An dieser Stelle erinnern sich in den Potsdamer Neuesten Nachrichten täglich Menschen in Potsdam an ihre Erlebnisse in dieser Zeit.
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JAHRE
MAUERFALL
Der Herbst 1989 ist als „Friedliche Revolution“ in die deutsche Geschichte eingegangen. An dieser Stelle erinnern sich in den Potsdamer Neuesten Nachrichten täglich Menschen in Potsdam an ihre Erlebnisse in dieser Zeit. Heute: Werner Gniosdorz. Der 53-jährige Konditormeister ist Inhaber der Bäckerei Braune in der Friedrich-Ebert-Straße.
Den 10. November 1989 vergisst Werner Gniosdorz so schnell nicht. Als halb Potsdam unterwegs in Richtung Berlin war, hatte der Inhaber der Traditionsbäckerei Braune einen wichtigen Termin im Kulturhaus „Hans Marchwitza“, dem heutigen Alten Rathaus: Auf einer Festveranstaltung ab 9 Uhr morgens bekommt er dort – gemeinsam mit allen frisch ausgelernten Handwerksmeistern – seinen Meisterbrief. Der Tag hatte früh begonnen, früher als sonst, erinnert sich Werner Gniosdorz: Schließlich sollte die Arbeit in der Backstube vor der Feier geschafft sein. Die Nachrichten vom Vorabend hatte er zwar im Fernsehen gesehen. Dass die „Zettelgeschichte mit Schabowski“ allerdings den Fall der Mauer bedeutete, sei ihm nicht klar gewesen: „Ich dachte, da geht es um Ausreisebestimmungen.“ Zwischen Backstube und Feststunde erfährt er dann im Radio vom Mauerfall – seinen Meisterbrief will Gniosdorz trotzdem abholen. Dass sich etwas tut in Potsdam, merkt er auf dem Weg zum Alten Markt: „Vor dem Polizeipräsidium standen Massen von Menschen, die wollten ein Visum.“ Im Alten Rathaus berichtet ein Tischlermeister von seiner nächtlichen Fahrt in den Westen. Die Feier dehnt sich ins Unendliche: Rede folgt auf Rede und danach gibt es auch noch einen Umtrunk. Erst am Nachmittag ist Schluss. Aber da fehlt Gniosdorz schon die Energie für eine Tour nach Berlin. Erst eine Woche später hat der Konditormeister Zeit für den Ausflug. Weniger Brötchen haben die Potsdamer im Wendeherbst übrigens nicht gekauft, konstatiert Gniosdorz heute beim Blick in die Bücher von damals. „Den großen Einbruch gab es erst mit der Währungsunion.“ Von einem Tag auf den nächsten verkaufte Braune nur noch knapp halb so viele Schrippen wie sonst: „Die Leute hatten Westgeld und konnten in Berlin einkaufen“, vermutet Gniosdorz. Mittlerweile gehen die Schrippen längst wieder so gut wie früher.
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