Landeshauptstadt: Mensch im Drachen
Drei Tage Mittelalter im Volkspark mit über 8000 Besuchern / Erfolgreiche Premiere: „Das magische Horn“
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Bornstedter Feld – Beim Kampf des Guten gegen das Böse müssen schon mal ein paar Ritter ins Gras des Bornstedter Feldes beißen, da wird dem Einhorn sein Teil blutig abgehackt und da verliert sogar der Feuerdrache sein Feuer. So geschehen am Samstag und Pfingstsonntag bei der Premiere des „Magischen Horns“ auf dem Ritterfest im Volkspark. Aber der Kampf der Gewalten endet nicht im Exitus: Die Toten stehen wieder auf und ein neues Einhorn erblickt das Licht der Welt. Alles nur Show vor einem Publikum mit Kindern, Müttern, Vätern. Zum Schluss kommt der gelenkige, Feuer speiende Drache Birgon den Zuschauern gefährlich nahe und diese sehen: In der Drachenschale steckt ein Mensch. Und dieser nimmt einen Schluck und spuckt ihn aus, so dass er zur Flamme wird: ein Feuerspucker.
Drei Tage gehörte der Volkspark dem Mittelalter. Das vielfach in der Stadt plakatierte „Magische Horn“ fand reichlich Zuspruch; in der Sonntagsvorstellung waren alle Plätze besetzt; die Familien kuschelten sich in der Nachtkühle zusammen. Es herrschte eine einmalige Harmonie zwischen Eltern und Kindern, die so lange aufbleiben durften.
Herzstück des Tagesprogramms ist die Band „Cocolorus Diaboli“ mit ihrer mitreißenden Musik. Auf den Bänken vor der Bühne blieb kein Platz frei. Der Chef der Folklore-Band, Dietmar Frick, lobt die Aufgeschlossenheit des Potsdamer Publikums. „Nächstes Jahr kommen wir ganz bestimmt wieder“, sagt das Multitalent. Ein ganz eigenes Klangbild erzeugen die diabolischen Mittelalter-Musiker mit ihren seltenen und seltsamen Instrumenten wie Nyckelharpa, Schalmei, Uilleanpipe, Lyra und Sälgflöjt. Dazu singt Frick in einer eigenartigen Mundart. Auf die Frage, was das denn für eine Sprache sei, sagt er: „Meine eigene“. Das ist sein Tribut an das Pfingstfest, das bekanntlich an die „Sprachengabe“ der Apostel erinnert. Diese konnten laut Bibel die christliche Botschaft verständlich für alle verbreiten. „Meine Sprache verstehen sogar die Kinder“, sagt der Musiker.
Frick ist nicht nur Band-Leader, sondern auch Veranstalter und Organisator des Ritterfestes mit seinen etwa zweihundert Mitwirkenden. Die Freude am Spiel ist der Truppe anzusehen und anzuhören. Keiner ist studierter Musiker. Frick ist diplomierter Mathematiker und arbeitete beruflich auf diesem Fachgebiet bei der Akademie der Wissenschaften der DDR. Um sich voll der Musik zu widmen, hängte er 1986 den Mathematiker-Job an den Nagel. Sohn Andreas, gelernter Goldschmied, spielt die Nyckelharpa, ein Saiteninstrument mit Tastenmechanismus. Im „Magischen Horn“ ist er der abtrünnige Sohn des tyrannischen Diktator-Vaters. Das ist im wirklichen Leben ganz anders. Am Ende der Horn-Premiere liegen sich Andy und Dietmar glücklich in den Armen.
Mit dem neuen Stück will sich die Frick-Crew nebst der Stunt-Truppe von Guido Peter für eine feste Sommerbühne an der Ost- oder Nordsee empfehlen. „Bisher haben wir nur Absagen erhalten“, berichtet Frick. Die Hürden für die Genehmigung derartiger Bühnenanlagen seien hoch. Der „Wanderzirkus“ bleibt auf jeden Fall bestehen.
Die Musik zum „Magischen Horn“ haben Andy und Dietmar Frick gemacht. Zum Programm gehören sieben Dudelsäcke, über die Frick sichtlich glücklich ist. „Das ist unser bedeutendstes Sponsor-Geschenk“ sagt er, denn Instrumentenbauer Jens Güntzel aus Semmichau in der Oberlausitz habe sie kostenlos hergestellt. Der Instrumentenbauermeister ist mit einem kleinen Stand auf dem Ritterfest vertreten und präsentiert hier seine seltene Handwerkskunst, die von der Herstellung kleiner Orgeln über Dudelsäcke bis zu mittelalterlichen Oboen aus Buchsbaumholz reicht. Seine Dudelsackwerkstatt ist weltweit berühmt. Das Geschäft laufe gut, sagt er auf Nachfrage und lächelt über das Dudelsack-Sponsoring. Immerhin: 8 000 Euro hätten die Instrumente gekostet.
Die magische Zahl von acht- bis zehntausend Besuchern ist am Wochenende für das vierte Ritterfest-Spektakel wieder erreicht worden. „Magisch“ sei diese Zahl deshalb, sagt Frick, weil sich dabei Einnahmen und Ausgaben wenigstens die Waage halten. Zu den Einnahmen zählen nicht allein die Eintrittsgelder, sondern auch die „Taler“ für das Bogenschießen oder den Wurf mit der Axt auf einen aufgemalten Bären beziehungsweise für die Teilnahme an einem Schwertkampf, an dem so viele Jungen Gefallen finden.
Günter Schenke
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