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Homepage: Metaphern in sprechenden Landschaften Sonntagsvorlesung über Landschaftsgärten

Ein Herbstspaziergang durch die hiesige Parklandschaft kann zu einer Zeitreise durch die Jahrhunderte werden, hier Bosquetanlagen aus dem Barock, dort die Weitläufigkeit des englischen Landschaftsgartens. In Sanssouci trennt beides nur wenige Schritte, in der Chronologie der preußischen Gartenkunst liegt etwa ein Jahrhundert dazwischen.

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Ein Herbstspaziergang durch die hiesige Parklandschaft kann zu einer Zeitreise durch die Jahrhunderte werden, hier Bosquetanlagen aus dem Barock, dort die Weitläufigkeit des englischen Landschaftsgartens. In Sanssouci trennt beides nur wenige Schritte, in der Chronologie der preußischen Gartenkunst liegt etwa ein Jahrhundert dazwischen. Anders als die preußischen Könige, nahmen sich bereits im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert deutsche Dichter des modernen englischen Gartenstils an. Der Germanist Prof. Dr. Norbert Miller von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften stellte zur Sonntagsvorlesung im Alten Rathaus einige am englischen Park orientierte literarische Landschaftsgärten deutscher Provenienz vor, wobei er als Herausgeber der Schriften Jean Pauls dessen uvre in das Zentrum seiner Ausführungen rückte. Ähnlich wie das Wegesystem des englischen Landschaftsgartens verführte der Referent sich und seine Zuhörenden zu immer neuen Abzweigungen im Thema, aber auch zum reflektierenden Stehenbleiben bei einzelnen Wörtern und Sprachbildern. Das überwiegend ältere Publikum folgte mit Interesse und Geduld. Als einen Autor von Ewigkeitsbildern, dem jedes Fleckchen Erde unversehens zum Sinnbild des gesamten Kosmos gerate, charakterisierte Miller Jean Paul. Noch aus dem kleinsten Hügel machen seine Metaphernketten gletscherbehaftete Alpen. Der Literaturwissenschaftler zeigte, dass ein so wenig augenfälliges Motiv wie der gestaltete Landschaftsgarten als Grundmotiv des literarischen Werks Jean Pauls gelesen werden kann. Die Natur ist ihm immer eine „sprechende Landschaft“, die einer höheren Ordnung unterliegt. So gelesen, sind die Naturbeschreibungen, fast immer Parkbeschreibungen, die das künstliche der durch Menschenhand geformten Natur betonen. Miller zeigte an den Romanen „Die unsichtbare Loge“ von 1793 und „Hesperus“ von 1795, wie eindrucksvoll es dem Dichter gelingt, in der Verschränkung von eigentlich gegensätzlichen Metaphern seine fantasierten Gartenlandschaften zu Sinnbildern einer Weltordnung zu erheben. Die Erfahrung der Unendlichkeit teile sich den Figuren und dem Leser in der sprechenden Endlichkeit der Details des Gartens mit, wobei Jean Paul auf den Schrecken setzt, der Bestandteil der Wahrnehmung des Erhabenen sei. Wie Jean Paul kannte auch Goethe den englischen Landschaftsgarten und sein Prinzip als angelegter Bildungsauftrag, vor allem aus der Fachliteratur. Ein ganzes Buch widmete der Altmeister aus Weimar dem Gartenhandwerk, um zu dem Schluss zu kommen, dass der neue englische Stil der männlichen Weitsichtigkeit bedürfe. Einer Frau fehle dafür die Kraft, zu sehr achte sie auf Kleinteiligkeit, statt die großen Zusammenhänge im Blick zu haben. Als eine Anleitung, wie ein Landschaftsgarten nicht angelegt werden sollte, könnten die „Wahlverwandtschaften“ gelesen werden, so die prononcierte These Millers zu dem vielschichtigen Roman von 1809. Den beiden Literaten, die in ihren Büchern Güter anlegten, stellte der Referent den Gartenvisionär Pückler-Muskau zur Seite, der als Fürst sowohl realiter wie auch in Büchern Landschaftsgärten schuf, die einem Ideal verpflichtet waren. Ein Park sollte nicht als Abbild der Welt fungieren, sondern die Welt mit einbeziehen. Dies bedeutete die Integration von Städten und der weiteren Umgebung in die Planungen – für die Entwicklung der Landschaftsarchitektur eine zukunftsweisende Haltung, die den Fürsten allerdings sein Vermögen kostete. Im 18. Jahrhundert wurden die höfischen Parkanlagen öffentlich. Wie die literarischen Vordenker moderner Gartenarchitekturen wohl auf die Idee, den Park durch Eintrittsgelder aus der Stadt wieder auszuschließen, reagiert hätten? Diese Frage konnte leider am Sonntag nicht mehr erörtert werden.Lene Zade

Lene Zade

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