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Der neue Studiengang „Military Studies“ an der Universität Potsdam: Mentalitäts- und sozialgeschichtliche Orientierung
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„Military Studies“ lautet unmissverständlich der Name eines neuen, disziplinübergreifenden Aufbaustudienganges an der Universität Potsdam. Während des zweijährigen Masterstudienganges können die Studierenden Probleme und Fragen rund um das Militär aus geschichts- und gesellschaftswissenschaftlicher Perspektive nachgehen. Ein Angebot, das nicht ohne Widerspruch blieb. Erst unlängst protestierten Studierende der Uni gegen den Studiengang (PNN berichteten).
Das im deutschen Sprachraum konkurrenzlose Studienangebot baut auf den bestehen Kapazitäten und Erfahrungen der Lehrstühle für Allgemeine Soziologie und Militärgeschichte auf. Eine enge Zusammenarbeiten besteht mit dem in Potsdam ansässigen Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr (MGFA) und dem Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr in Strausberg. Beide Einrichtungen stellen neben Praktikumsplätzen vor allem eine Reihe von Dozenten und Dozentinnen zur Verfügung.
Weitere Kooperationen sind mit dem Potsdamer Institut für Menschrechte sowie ausländischen Universitäten geplant. Entscheidend für den weiteren Ausbau des Studienganges ist jedoch die Annahme durch die Studierenden. Etwa 20 Bewerbungen liegen bereits vor und die Zahl dürfte sich durch die weitergetragenen Erfahrungen der Studierenden in den nächsten Semestern stark erhöhen, so Prof. Bernhard Kroener, Lehrstuhlinhaber für Militärgeschichte und Mitinitiator des neuen Studienganges.
Die einzelnen Studienmodule erstrecken sich von der Militärgeschichte Alteuropas und der Modernen Welt über die Militärsoziologie bis hin zur Sicherheitspolitik und Konfliktforschung. Dabei werden Themen wie die Gewaltwahrnehmung und Gewaltausübung in der frühen Neuzeit ebenso abgehandelt, wie die Militärgeschichte der DDR oder soziologische Untersuchungen des Terrorismus. „Es wäre pure Heuchelei, wenn man den Militarismus des 19. Jahrhunderts allein mit den Methoden der herkömmlichen Friedens- und Konfliktforschung untersuchen wollte. Das funktioniert einfach nicht“, entgegnet Privatdozent Hans-Joachim Schubert vom Lehrstuhl für Allgemeine Soziologie Vorbehalten gegenüber einer wissenschaftlichen Betrachtung des Militärs.
Tatsächlich haben sich die Gesellschaftswissenschaften seit einigen Jahren verstärkt der Institution Militär zugewandt. In Deutschland nicht zuletzt auch wegen des gestiegenen Engagements der Bundeswehr bei Auslandseinsätzen. Die spezielle Soziologie untersucht sowohl die innere Funktionsweise des Militärs als auch seine Stellung in der Gesellschaft. „Wir müssen das Kind beim Namen nennen“, so Schubert weiter. „Das Militär spielt nach wie vor eine große Rolle und für dessen Erforschung brauchen wir eigene Instrumente.“
Tatsächlich ist die auch als Militärwissenschaft bezeichnete Disziplin an den Universitäten in den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich schon lange ein etabliertes Studienfach. Allerdings sind die bestehenden Forschungstraditionen sehr unterschiedlich. So behandeln etwa die angelsächsischen „War Studies“ vor allem Themen wie Militärstrategie und die Geschichte von Militäroperationen.
Diese eher „kriegswissenschaftlichen“ Schwerpunkte kommen für die Potsdamer „Military Studies“ jedoch nicht in Betracht, erklärt Prof. Kroener. Vielmehr gehe es um eine Mentalitäts- und sozialgeschichtliche Orientierung des militärwissenschaftlichen Forschungs- und Lehrangebotes. Die Ausrichtung der „Military Studies“ füge sich auch in den kulturwissenschaftlichen Rahmen der philosophischen Fakultät mit dem Schwerpunkt „Mobilisierte Kulturen“ ein. „Man muss bedenken, dass Krieg eine Extremsituation darstellt in der Kulturen in Bewegung geraten, wie sich zum Beispiel gegenwärtig im Irak beobachten lässt.“ Das konfliktreiche Aufeinandertreffen von unterschiedlichen Kulturen führe zu ganz eigenen Erinnerungsweisen und Erfahrungswerten der Soldaten und des Militärs als Organisation. Diese gelte es zu erforschen und gegebenenfalls in konkrete Beratungsvorschläge für die Politik zu überführen.
Die Studierenden erarbeiten sich mit dem Masterabschluss kein spezifisches Berufsbild. Von Tätigkeiten in Forschungseinrichtungen, in den Medien, in Archiven und Museen, bis hin zur Politikberatung stehen den Absolventen eine Reihe von Einstiegsmöglichkeiten offen. Skeptiker wenden allerdings ein, dass mit dem Studiengang gut ausgebildete Spezialisten herangezogen werden, die aber wegen zu geringer Stellenangebote ins Ausland abwandern werden. Arno Meinken
Arno Meinken
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