
© imago/Contrast
Sport: „Militärschutz war großgeschrieben“
Rostocks Trainer Peter Vollman über seine Arbeit im Irak, seine jetzige Mission beim FC Hansa und das Punktspiel in Babelsberg
Stand:
Denken Sie manchmal noch an den Irak, Herr Vollmann?
Natürlich, so etwas vergisst man ja nicht. Da hat man ja Dinge mitgemacht, die man wohl nur in einem solchen Krisengebiet erlebt.
Sie haben dort unten seit 2009 im Auftrag des DFB unter gefährlichen Bedingungen irakische Fußballtrainer ausgebildet. Die Berufung zum Cheftrainer des FC Hansa Rostock im Sommer dieses Jahres muss wie eine Erlösung für Sie gewesen sein.
So kann man das nicht sagen, denn auch die Arbeit mit den irakischen Trainern in Bagdad hat mir Spaß gemacht. Natürlich waren die Umstände, unter denen ich dort arbeitete, etwas Besonderes. Militär- und Sicherheitsschutz waren großgeschrieben. Man musste immer aufpassen, dass nichts passiert. Dass man beispielsweise, wenn man durch die Gassen fährt, nicht von rechts oder links beschossen werden kann. Und das Handy wird ständig im Gespräch unterbrochen, weil die Autobomben dort heutzutage über Handy gezündet werden. Das sind schon außergewöhnliche Dinge. Aber in der Sache hat mir die Arbeit dort Spaß gemacht, weil die Leute im Irak auch sehr freundlich und nett waren und selbst sehr unter den Bedingungen gelitten haben.
In Rostock haben Sie aber auch keine leichte Mission, oder?
Nein. Wenn man einen Klub übernimmt, der aus der zweiten Liga abgestiegen ist, dann ist das nicht nur für den Trainer schwierig, sondern für alle, die am Neuaufbau des Vereins beteiligt sind. Das fängt beim Vorstand an und setzt sich fort über das Management bis hin zum Trainer.
In Rostock erhoffen die Fans von Ihnen nicht weniger als die Rückkehr des FC Hansa in die zweite Liga. Oder ist der Erwartungsdruck nicht so hoch?
Nein, wir sind hier alle Realisten. Wir hatten zum Saisonbeginn drei Spieler auf dem Platz zu stehen und mussten innerhalb kurzer Zeit neue Spieler holen, darunter auch welche aus der A-Jugend beziehungsweise der U23, die die dritte Liga noch gar nicht kannten. Zusätzlich dazu haben wir 13 neue Spieler verpflichtet, die schon mal zweite, dritte oder Regionalliga gespielt haben. Und das mehr oder weniger drei Wochen vor Vorbereitungsbeginn und angesichts der derzeit geringen wirtschaftlichen Möglichkeiten des Vereins. Hansa hat Rückstände aus den vergangenen Spieljahren, die sich irgendwie aufgestaut haben und die vom neuen Vorstand in den Griff bekommen werden müssen. Wir müssen sparen, sparen, sparen, und das wirkt sich auch auf die Situation der Mannschaft aus. Wir haben mit den kleinsten Kader der Liga, haben teilweise 17 Feldspieler und müssen uns schon stark einschränken. Unter diesen Umständen ist im Umfeld auch nicht die Parole Wiederaufstieg ausgegeben worden. Wir wollen versuchen, uns zu konsolidieren und dann natürlich so schnell wie möglich wieder oben reinzurutschen.
Trotz der von Ihnen geschilderten Umstände ist Ihre Mannschaft nach sechs Spieltagen durch fünf Siege und eine Niederlage Tabellenzweiter. Überrascht Sie das selbst?
Natürlich sind wir selbst von der Entwicklung überrascht; dieser gute Start war nicht zu erwarten. Wir führen das unter anderem darauf zurück, dass wir es schnell geschafft haben, mit allen Verantwortlichen zusammen eine Einheit zu bilden und den Spielern begreiflich zu machen, dass wir nur über Geschlossenheit vielleicht Erfolg haben können. Wir haben keinen Druck aufgebaut, sondern die Mannschaft in Ruhe gelassen und nur von Spiel zu Spiel gedacht. Das hat sicher geholfen.
Als Tabellenzweiter und mit dem 7:2-Heimsieg im Rücken, mit dem Ihre Elf zuletzt die Spielvereinigung Unterhaching vom Platz fegte, ist Hansa am Samstag im Punktspiel beim SV Babelsberg 03 klarer Favorit.
Wir haben es bisher immer so gehalten, dass wir nirgendwo als klarer Favorit antreten. Solche Spiele wie gegen Unterhaching sind ja außergewöhnlich. Ein solches 7:2 kommt nur einmal in fünf Jahren vor. Dabei lief halt alles zusammen. Wir sind natürlich so selbstbewusst zu sagen, dass fünf Siege aus sechs Spielen und unsere 15 Punkte kein Zufall sind. Aber wir wissen auch, dass wir gegen Mannschaften aus dem unteren Bereich gespielt haben. Die Top-Teams kommen alle erst noch auf uns zu. So wie jetzt Babelsberg, der bester Aufsteiger ist und sehr gute Ergebnisse erzielt hat. Favorit ist für mich immer die Heimmannschaft.
Wie schätzen Sie die Babelsberger ein?
Sie haben neun Punkte auf ihrem Konto – das sagt alles aus. In unserer Liga kann jeder jeden schlagen und da spielt der Tabellenplatz nicht immer die entscheidende Rolle. Oft können Kleinigkeiten das Spiel in die oder die Richtung laufen lassen.
Warum glauben Sie, dass Sie mit Hansa am Samstag im Karl-Liebknecht-Stadion den sechsten Sieg einfahren werden?
Ich setze weiterhin auf unsere Geschlossenheit, und unsere 15 Punkte haben der Mannschaft auch Selbstvertrauen gegeben. Wir sind nicht so vermessen zu sagen, dass für uns nur ein Sieg zählt. Wir kennen die Realität, dass sich Spiele in beide Richtungen entwickeln können, und wollen versuchen, in Babelsberg zu punkten. Babelsberg wird natürlich alles daran setzen, uns ein Beinchen zu stellen. Am liebsten wären uns drei Punkte, aber Fußball ist kein Wunschkonzert und das Spiel wird zeigen, wie die Punktzahl am Ende aussieht.
Wie sieht es bei Ihnen personell vor der Partie am Babelsberger Park aus. Sind die zuletzt verletzten Abwehrspieler Dexter Langen und Matthias Holst wieder einsatzbereit?
Nein, beide fallen langfristig aus, zumindest bis zur Winterpause. Sonst wird sich an der Mannschaft nicht viel ändern. Wir haben bisher aus dem Training heraus keine Verletzten und ich hoffe, das bleibt bis Babelsberg auch so.
Also haben Sie am Samstag auch Ihre beiden dreifachen Torschützen Tobias Jänicke und Radovan Vujanovic dabei.
Wenn sie gesund sind, werden wir die beiden natürlich mit an Bord haben.
Sie haben als Coach ähnlich viele Stationen hinter sich wie Babelsbergs Trainer Dietmar Demuth. Gab es in der Vergangenheit schon Berührungspunkte zwischen Ihnen?
Wir kennen uns gut, haben beide auch in Ghana gearbeitet – ich allerdings später als er – und ein gutes Verhältnis. Wir haben auch schon mal miteinander telefoniert, wie das unter Kollegen üblich ist. Direkt gegeneinander gespielt haben wir – wenn ich mich momentan richtig erinnere – aber noch nicht.
Ehe Sie im Irak Aufbauhilfe leisteten, wurden Sie im Dezember 2008 bei Holstein Kiel unmittelbar nach der Hinrunde entlassen, obwohl Sie die Mannschaft zum Herbstmeistertitel in der Regionalliga geführt hatten. Sitzt dieser Albtraum eines jeden Übungsleiters jetzt als Misstrauen mit Ihnen auf der Trainerbank?
Nein, solche negativen Dinge muss man dadurch abhaken, dass man die dafür Verantwortlichen einfach aus seinem Telefonregister streicht. Das ist dann damit abgearbeitet.
Sie haben bei Hansa Rostock einen Vertrag für diese Saison. Könnten Sie sich vorstellen, später einmal wieder im Irak tätig zu werden?
Natürlich, das kann ich mir durchaus vorstellen, ich habe ja schon öfter im Ausland gearbeitet. Aber jetzt bin ich erst einmal in Rostock, um hier, wie Sie vorhin sagten, meine Mission zu erfüllen.
Das Interview führte Michael Meyer
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: