Landeshauptstadt: Ming-Vasen zählen?
Ursula Hakim und Ellen Chwolik-Lanfermann gründeten den „China-Verein Potsdam“
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Heute haben die deutschen Hochschulen ein breites Chinesisch-Angebot, der Nachfrage folgend häufig gekoppelt mit Wirtschaftswissenschaften. Doch zu ihrer Zeit, als sie die Sprache lernte, erzählt Ursula Hakim, war chinesisch noch ein Exotenfach. „Was macht man damit?“, wurde sie häufig gefragt, „Ming-Vasen zählen?“
Überkommende Ansichten wie diese gehören der Vergangenheit an. China manifestiert sich als Wirtschaftsfaktor in der Welt und auch Potsdam partizipiert daran, wie die Gründung des Shanghai Business Centers in den Roten Kasernen am Bornstedter Feld zeigt. Der neuen Attraktivität des Reiches der Mitte folgend, hat auch Ellen Chwolik-Lanfermann, Richterin in Potsdam und Vorsitzende des Bürgervereins Potsdamer Innenstadt „Freies Tor“, damit begonnen, chinesisch zu lernen. Vor dem Hintergrund des neuen China-Trends hat sie zudem gemeinsam mit der Sinologin Ursula Hakim am 31. Mai den „China-Verein Potsdam“ gegründet. Den Potsdamern wolle der Verein die chinesische Kultur näher bringen und so der steigenden Zahl der chinesischen Touristen in der Stadt „den Boden bereiten für ein ,Willkommen in Potsdam““, erklärt Ellen Chwolik-Lanfermann. Insbesondere zu den Gästen des Shanghai Business Center werde der Verein den Kontakt suchen, um sie in Potsdam einzuführen. Zu den nächsten Aktivitäten gehören Potsdamer Vorträge von Experten des Berliner Konfuzius-Instituts und des Ostasien-Instituts. Im Spätfrühjahr 2008 wird dem China-Verein dafür auch in der Innenstadt einen eigenen Raum mit 25 Sitzplätzen als Vereinssitz zur Verfügung stehen.
Aber nicht nur die Wirtschaft Chinas boomt, auch das Geistesleben erlebt einen Aufschwung – oder, wie Ursula Hakim sagt: „Es darf wieder aufleben – wenn auch nicht völlig unbeobachtet.“ Die Kommunistische Parteiführung Chinas habe erkannt, dass mit der Auflösung vorhandener Strukturen im Zuge des kapitalistischen Wandels und der Öffnung dem Westen gegenüber eine Leere zurück bleibt, die gefüllt werden muss. „Andere Rückzugsmöglichkeiten haben wieder Raum und Platz“, so Ursula Hakim. Die Zahl der buddhistischen Klöster steige, der Konfuzianismus lebe wieder auf. Der zentrale Wert der Lehren des Philosophen Konfuzius war die Ordnung, die seiner Meinung nach durch Achtung vor anderen Menschen und Ahnenverehrung erreichbar sei.
Ferner gibt es in China, fährt Ursula Hakim fort, ein großes Interesse an westlichen Philosophen, etwa an Gottfried Wilhelm Leibniz. So wird bei der Potsdamer Leibniz-Edition der Akademie der Wissenschaften am Neuen Markt gerade eine zehnbändige Leibniz-Ausgabe in chinesischer Sprache erarbeitet.
Ebenfalls Aufgabe der Vereinsmitglieder sei es, in Potsdam für ein Verständnis der chinesischen Mentalität zu werben. Die Chinesen, so Ursula Hakim, sind keineswegs so direkt wie die Europäer. Ein chinesisches „Ja“ kann auch ein verdecktes Nein sein, dass aber aus Höflichkeit nicht ausgesprochen wird. Für die individuelle westliche Einstellung „dass ist mein Ding, dass ziehe ich durch“ haben Chinesen auch wenig Verständnis. Sie ordnen ihre Interessen gern der Gruppe unter. Ursula Hakim: „Natürlich wollen Chinesen auch ihre Interessen durchsetzen – aber sie wissen, dass es ohne ihr Gegenüber nicht funktioniert“.Guido Berg
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