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Die Deutsche Bank: Eine Potsdamer Renterin, die unter Demenz leidet, verklagt das Geldinstitut. Beraterder Bank sollen ihr einen sittenwidrige Rentenversicherung verkauft haben.

© A. Klaer

Landeshauptstadt: Mit 99 beginnt die Rentenzahlung

Bank verkaufte pflegebedürftiger Seniorin fondsgebundene Rentenversicherung / Ihr Betreuer hat geklagt

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Ihr Großvater war leitender Angestellter bei der Deutschen Bank, sie selbst ist seit Jahrzehnten treue Kundin. Am 13. November 2007 schaute Christina E. in ihrer Filiale in Potsdam vorbei. Sie fand sich in einem Beratungsgespräch wieder, ihr Vertrauen war offenbar groß: Zwei Bankberater verkauften ihr eine fondsgebundene Rentenversicherung, die „db FondsRente“. Für die damals 78-jährige Frau E. ein erbärmliches Angebot: Die Rentenzahlung beginnt, wenn sie 99 ist.

Die Sittenwidrigkeit solcher Abschlüsse wird selten abschließend geklärt. Anders dieser Fall: Er wird am 9. November im Potsdamer Landgericht verhandelt. Seit 1998 lebt Christina E. im Heilig-Geist-Park, seit sechs Jahren im Pflegebereich der Seniorenresidenz. „Sie leidet an einer seit Jahren bestehenden Demenz“, sagt ihr gesetzlicher Betreuer Michael Neumeier.

Als er vor zwei Jahren in ihren Unterlagen die Rentenversicherung fand, wollte er seinen Augen nicht trauen: Die Police sieht vor, dass Christine E. bis Dezember 2012 fünfmal Jahresraten von 8000 Euro entrichtet, insgesamt 40 000 Euro. Dafür wurde ihr ab dem Jahr 2028 eine Monatsrente von 702,76 Euro garantiert, im Todesfall sollten die Angehörigen profitieren – zu wenigstens 60 Prozent. In der Police ist kein „Bezugsrecht“ festgelegt, Frau E. hat auch keine nahen Angehörigen, sagt Neumeier. An deren Vorsorge hatte sie laut Beratungsdokumentation der Bank gar „kein Interesse“. Womöglich wollte sie ja „ihrem Land einen letzten Dienst erweisen“, haben die Bank-Anwälte geschrieben.

Christina E. kann sich an den Vertrag nicht erinnern. Um in den vollen Genuss ihrer 40 000 Euro zu kommen, müsste sie 105 Jahre alt werden. Michael Neumeier wollte die Angelegenheit „im Stillen“ regeln, doch eine Rückabwicklung wurde „von höheren Banketagen“ abgelehnt. Beim möglichen „Rückkauf“ würde Christina E. noch 13 000 ihrer eingezahlten 24 000 Euro bekommen.

Vom Ombudsmann im „Bundesverband deutscher Banken“ bekam Neumeier auf eine Beschwerde keine Antwort. Im Auftrag von Christine E. hat er einen Rechtsanwalt eingeschaltet. Neumeier ist guter Dinge, dass die Sache anders ausgeht als für die Opfer der Lehman-Pleite. Der Nutzen des Vertrags für Frau E. sei nicht ersichtlich, meint auch Anwalt Torsten Höhn. Festanlagen hätten eine höhere Verzinsung sichergestellt – und das Kapital wäre zur Deckung von Pflegekosten und Unterhalt verfügbar.

Die Deutsche Bank („Leistung aus Leidenschaft“) weist trotz himmelschreiender Faktenlage den Vorwurf der Falschberatung zurück. Die Bankberater seien dem Wunsch einer „steueroptimierten Anlage“ nachgekommen, heißt es in der Klageerwiderung. Christina E. sei es darum gegangen, sicherzustellen, dass die Todesfallsumme „dem Begünstigten“ einkommenssteuerfrei zukomme. Zweifel am geistigen Zustand seien im Vermittlungsgespräch nicht aufgekommen, eine „Ausnahmesituation“ für „besondere Beratungspflichten“ habe nicht bestanden.

Sylvia Schönke von der Potsdamer Verbraucherzentrale kann dazu nur den Kopf schütteln. Sie zitiert eine aktuelle Studie der „Fidelity Worldwide Investment“, laut der zwei Drittel der Deutschen glauben, Banken und Versicherungen handelten vor allem im Eigeninteresse und an den Kunden vorbei. Das sieht Schönke in der Praxis oft bestätigt.

Zum konkreten Fall möchte sie sich zwar nicht äußern. Dass man Steuervorteile einer fondsgebundenen Rentenversicherung erst nach langer Zeit ernten kann, sei indes eine Binsenweisheit: Fondsgebühren, Abschlussgebühren, Verwaltungsgebühren und üppige Provisionen könnten schnell den zweistelligen Prozentbereich erreichen. Zudem könne man in hohem Alter kaum die möglichen Verluste eines Aktienfonds wettmachen. „Selbst wenn man seine Kapitalzinsen versteuern muss, fährt man dann mit einer festen Anlagenform besser.“

In der Potsdamer Verbraucherzentrale sind etliche ähnlicher Fälle auch von anderen Banken und Sparkassen in der Region bekannt. Gerade hat Schönke ein Rentnerpaar beraten, dem fünf Bausparverträge verkauft wurden, und ein anderes, das sich hochriskante Aktienfonds aufschwatzen ließ. Manchmal könne sie vermitteln, nicht immer. Was fondsgebundene Rentenversicherungen für Rentner angeht, ist Christina E. der dritte aktuelle Fall, den Schönke kennt. Auf das Gerichtsurteil ist sie gespannt.

Wie viele fondsgebundene Rentenversicherungen die Deutsche Bank jährlich an Hochbetagte verkauft, darauf gibt es aus deren „Kommunikations-Zentrale“ keine Antwort. Auch nicht auf die Frage, welche Rolle statistische Daten wie die Lebenserwartung bei der Beratung spielen und welche ethischen Maßstäbe im größten deutschen Kreditinstitut gelten. „Für die Altersvorsorge kommen eine Reihe von Anlageformen als Bausteine in Betracht“, antwortet Deutsche-Bank-Sprecher Christian Hotz knapp auf eine lange Presseanfrage. Bei Rentnern spiele neben der eigenen Absicherung („z.B. für den Pflegefall“) häufig die der Angehörigen eine Rolle. „Richtungsweisend ist immer die individuelle Situation des Kunden, mit seinen Wünschen und Vorgaben“, so Hotz.

„Unterschiedliche Kundenbedürfnisse verstehen, Mehrwert bieten, Vertrauen bilden und anhaltende Partnerschaften aufbauen“, wird im Leitbild der Deutschen Bank versprochen. Heute wird sie ihren Quartalsbericht vorstellen: Die angestrebten zehn Milliarden Euro Gewinn werden in diesem Jahr wohl nicht erreicht. An Kunden wie Christina E. liegt es jedenfalls nicht.

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