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Landeshauptstadt: Mit Ausgeglichenheit zum guten Ton

Für Martin Schmidt ist Ruhe eine wichtige Voraussetzung, um ein Instrument zu bauen, in seiner neuen Werkstatt hat er sie garantiert

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Von einem Ortswechsel aus Kreativitätsgründen kann bei Martin Schmidt nicht die Rede sein. Die Werkstatträume in der Benkertstraße im Holländischen Viertel hatten genug Flair für die entsprechende Atmosphäre. Idealer als in den kleinen Räumen eines Holländerhauses kann ein Instrumentenbauer doch kaum arbeiten. Viele Menschen kommen vorbei, schauen in die Fenster und sehen Martin Schmidt, wie er gerade eine neue Trompete herstellt. Bessere Werbung kann es doch gar nicht geben? Martin Schmidt lässt sich Zeit mit der Antwort. „Laufkundschaft war noch nie erheblich für mein Geschäft. Und außerdem brauchte ich mehr Platz“, sagt Schmidt mit ruhiger Stimme.

Seit Anfang März hat Martin Schmidt seine neue Werkstatt in der Nauener Vorstadt. In der verschlafen wirkenden Straße Am Hang ist der 46-Jährige in ein saniertes Haus gezogen, um hier, hinter Schaufensterscheiben, in Zukunft Metallblasinstrumente, wie es im offiziellen Sprachgebrauch heißt, in Handarbeit herzustellen. Schmidts Arbeitsplatz ist akkurat aufgeräumt und fast schon penibel sauber, die Wände weiß, ein paar Regale sind in dem länglichen Raum verteilt, daneben Maschinen und Werkzeug, das er vor allem für Reparaturen braucht.

„Nur Ruhe, Ausgeglichenheit und Liebe zum Beruf führen zu diesen Instrumenten“, ist auf Schmidts Homepage zu lesen. Mit diesen Instrumenten sind Trompeten und Flügelhörner gemeint, von denen der Meister bis zu 30 Stück im Jahr baut, die zwischen 1500 und 3500 Euro kosten. Die gewünscht Ruhe hat Schmidt in seiner neuen Werkstatt mit Sicherheit. Innerhalb von einer Stunde fahren an diesem Aprilnachmittag gerade einmal zwei Autos an seinem Fenster vorbei. Doch je länger man sich mit ihm über seine Profession unterhält, um so stärker wird der Eindruck, dass für Martin Schmidt Ruhe nicht unbedingt von äußeren Umständen abhängig ist. Der große und hagere Mann strahlt eine Ausgeglichenheit aus, dass es einen nicht verwundern würde, Schmidt selbst im wildesten Sturm noch ganz gelassen und akribisch an einem Instrument arbeiten zu sehen.

Mit 16 Jahren stand Martin Schmidt vor der Entscheidung: Entweder spielen oder bauen. Als Kind hat er an der Potsdamer Musikschule begonnen, Trompete zu spielen. Irgendwann kam die Frage nach der beruflichen Zukunft. Für ein Musikstudium war ihm sein Können nicht gut genug. „Hinzu wäre gekommen, dass ich noch viel mehr hätte üben müssen als sonst schon.“ Doch die Trompete nur noch als Freizeitbeschäftigung zu betrachten, das wollte er auch nicht.

„Damals gab es keinen Metallblasinstrumentenbauer in Potsdam, niemanden, der die nötigen Reparaturen vornehmen konnte.“ Martin Schmidt wollte eine Zukunft mit Instrumenten. Und er wollte, wenn er für eine Ausbildung seine Heimatstadt schon verlassen musste, sich die Option einer Rückkehr offen halten. Er erkannte das Potenzial und seine Entscheidung war schnell gefallen.

Für seine zweijährige Lehre ging Schmidt 1977 nach Markneukirchen ins Vogtland. Seine Meisterprüfung, die nötig war, um sich selbständig zu machen, legte er 1982 ab. Doch dauerte es noch fünf Jahre, ehe Martin Schmidt in Potsdam seine eigene Werkstatt im Holländerviertel eröffnen konnte. Über fehlende Arbeit kann er sich seit dem nicht beklagen.

„An Neubau von Instrumenten war in den ersten Jahren nicht zu denken“, sagt Schmidt. Die DDR-typische Mangelwirtschaft und notorische Materialknappheit ließ derartige Ambitionen utopisch erscheinen. Doch mit Reparaturen hatte der junge Meister genug zu tun. Mit der Wende kam dann für Martin Schmidt endlich die Möglichkeit, eigene Instrumente zu bauen. Und es dauerte nicht lange, bis er sich nicht nur in Deutschland einen Namen gemacht hatte.

Fragt man Martin Schmidt, wer seine Instrumente kauft, antwortet er, dass er keine Namen nennen möchte. Aber wenn er schon eine Antwort geben müsse, falle die ziemlich leicht aus. „Weltweit verkaufe ich“, sagt er. Musiker aus Europa, Asien und Amerika spielen Instrument made in Potsdam. „Das sind aber nicht nur Profis, auch Laienmusiker, die sich ein hochwertiges Instrument leisten wollen, gehören zu meinen Kunden.“ Viel Werbung musste Schmidt nie machen. In Musikerkreisen spricht es sich rum, wo hochwertige Meisterinstrumente hergestellt werden. Mittlerweile muss man mit einem Jahr Wartezeit rechnen, wenn man eine Trompete oder eine Flügelhorn von Martin Schmidt sein eigen nennen möchte. Denn neben dem Neubau hat er immer wieder Reparaturen auf seinem Tisch.

Mensurverlauf, Bohrung, Materialdicke, Strömungsverlauf, Position und Anzahl der Stützen, vieles gilt es zu beachten bei dem Bau einer Trompete, die sich dem Laien auf den ersten Blick als ziemlich simpel darstellt. Doch wie Schmidt das Biegen der Rohre beschreibt, wird schnell klar, dass allein dies schon eine Wissenschaft für sich ist. „Anspruch, Verarbeitung und Erfahrungen“, das mache ein wirklich gutes Instrument aus. Dann zeigt er die anderen Räume der Werkstatt, wo sich in einem eine Vielzahl von Rohren unterschiedlicher Stärken stapeln. Zuletzt geht es in den Verkaufsraum, wo sich hinter Glas die glänzenden Trompeterträume präsentieren. An einer Wand steht ein Regal für Zubehör. Hier erzählt Schmidt, dass er selbstverständlich noch immer Trompete spielt. Zweimal in der Woche probt er im Posaunenchor Potsdam. „Und was für ein Instrument spielen Sie?“

„Natürlich eine Schmidt.“

Weiteres im Internet:

www.martin-schmidt-potsdam.de

Dirk Becker

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