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Exzellente Forschung, Qualitätsmanagement und mehr wissenschaftlicher Nachwuchs: Uni-Präsidentin Professor Sabine Kunst über den Hochschulentwicklungsplan

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Schwergewichtig wie eine wissenschaftliche Abschlussarbeit liegt er auf dem Tisch: der Hochschulentwicklungsplan, mit dem sich die Universität Potsdam in den kommenden Jahren zu einer mittelgroßen Spitzenuniversität profilieren will. Zufrieden lässt Sabine Kunst ihre Hände auf dem Deckblatt ruhen. Ihre Erleichterung ist zu spüren, dass nach monatelangen Planungsrunden, Diskussionen, Workshops und Präsentationen das Strategiepapier nun vom Senat der Universität beschlossen wurde.

Die eigentliche Arbeit aber, weiß die Hochschulpräsidentin, steht erst bevor. Die so sorgfältig formulierten Entwicklungslinien müssen im Herbst in Zielvereinbarungen mit den Fakultäten münden. Bis zum Jahreswechsel soll das geschafft sein, setzt die Präsidentin ein strenges Zeitmaß. Wie zur Unterstützung verlassen ihre Hände die Ruheposition, blättern sich durch das Papier, um die Seite mit den acht neuen Profilbereichen aufzuschlagen: Acht Kreise gruppieren sich schematisch um den ersten Exzellenzbereich der Universität, die Kognitionswissenschaften, und bilden hier und da gemeinsame Schnittmengen. Die Hochschule will in der Forschung schärfere Konturen zeigen. Dort, wo sie stark ist, noch stärker werden. International und national Aufsehen erregen, besonders mit den Kognitionswissenschaften, die Potsdam zu einem Mekka für Psychologen, Linguisten, Physiker und Biologen machen könnte, die interdisziplinär die Leistungen des Gehirns erforschen.

Oder auch die Erdwissenschaften. „Keine der gegenwärtig und künftig noch stärker drängenden Fragen zur Energiegewinnung und zum Klimaschutz wird sich ohne die Geoforschung beantworten lassen“, weiß Sabine Kunst. Die Universität will hier Entscheidendes beitragen. Nicht im Alleingang, sondern im Verbund mit den auf dem Potsdamer Telegraphenberg ansässigen Instituten für Klimafolgenforschung, Geo-, Polar- und Meeresforschung. Schon jetzt bestehen nicht nur dorthin, sondern zu vielen anderen außeruniversitären Einrichtungen engste Kontakte. Es gibt gemeinsame Professuren und Förderprogramme für den wissenschaftlichen Nachwuchs, ob in der Astrophysik, der Systembiologie oder der Polymerchemie. Mehr und mehr will die Universität zeigen, dass man in Potsdam nicht nur studieren kann, sondern in der deutschlandweit dichtbesiedeltsten Forschungslandschaft auch gute Arbeits- und Karrieremöglichkeiten vorfindet.

Die Universitätsleitung wird dies mit einer strengen Qualitätssicherung untersetzen. „Im Herbst“, kündigt Sabine Kunst an, „wollen wir verstärkt die Lehre überprüfen und dazu auch Studierende befragen.“ Später werden sich einige Studiengänge einer genaueren Bewertung unterziehen, um die so genannte Programmakkreditierung zu erhalten. „Es wird ein längeres Verfahren mit internen und externen Gutachtern“, weiß die Präsidentin, die binnen weniger Sekunden von der ambitionierten Wissenschaftlerin zur zielorientierten Managerin wechselt. Bis 2011 soll die gesamte Universität als System akkreditiert sein, so der ehrgeizige Plan. „Dann bekommen wir irgendwohin drei Sterne geheftet“, lacht Sabine Kunst und meint es dennoch sehr ernst mit dem Gütesiegel: „Es gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Hochschulleitung, die Fakultäten, aber auch sich selbst einer ständigen Qualitätsprüfung zu unterziehen.“

Vorrang hat momentan die Lehre. Akkreditiert, also anerkannt, werden nur solche Studiengänge, die in der Regelstudienzeit zu absolvieren sind. „Wir müssen für die Studierenden verlässliche Strukturen schaffen und die Verwaltungsabläufe stärker auch aus ihrem Blickwinkel sehen“, fordert die Präsidentin sich selbst. Die modular aufgebauten neuen Studiengänge und regelmäßige Prüfungen sollen helfen, zügiger zum Abschluss zu kommen. Diese Art der Verschulung werde dafür sorgen, dass die Studierenden nicht, wie so oft in der Vergangenheit, unstrukturiert vor sich hin studieren. „Wir hoffen“, so Sabine Kunst, „dass auf diese Weise die Erfolgsquote steigt.“

Die Studierenden waren am Hochschulentwicklungsplan vielfach beteiligt. „Ich hatte den Eindruck, dass gerade sie sich am intensivsten mit den Entwürfen auseinandergesetzt haben. Von ihnen stammten die substanziell am besten vorbereiteten Kritiken und viele konkrete Vorschläge“, erinnert sich Sabine Kunst, ohne ihre Enttäuschung darüber zu verbergen, dass die einzige Gegenstimme im Senat von einem der beiden studentischen Vertreter kam.

Der dennoch beschlossene Plan sieht nun vor, in neuen Bachelor-Studiengängen eine strukturierte Eingangsphase mit Auslandsstudien und einer gezielten Berufsorientierung zu verknüpfen. Dafür will die Universität ihre internationalen Beziehungen ausbauen. Studien an europäischen Partner-Universitäten sollen mit denen in Potsdam kompatibel werden. „Wenn wir wollen, dass die Studierenden über den eigenen Tellerrand schauen, dann brauchen wir Austauschprogramme mit gegenseitig anerkannten Abschlüssen“, sagt Sabine Kunst. Auch die Promotionsprogramme sollen stärker international ausgerichtet werden. Gute Kontakte gibt es bereits bei den Romanisten zur Universität Paris X Nanterre oder auch bei den Wirtschaftswissenschaftlern zu Universitäten in St. Petersburg und Moskau. Es sollen aber auch ganz neue Allianzen entstehen. Konkret denkt die Präsidentin an die Erdwissenschaften an der geplanten Deutsch-Türkischen Universität in Istanbul.

Einen zusätzlichen Anreiz, die wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen, sollen besonders Begabte erfahren, wenn sie künftig schon während ihres Studiums in die Forschung einbezogen werden und dann nicht mit dem Master, sondern gleich mit der Promotion abschließen. Schneller zum Ziel zu kommen, wäre vor allem für junge Frauen von Vorteil, deren wissenschaftliche Qualifizierung allzu oft zeitlich mit der Familienplanung zusammenfällt.

Damit es hierbei nicht zu unangenehmen Kollisionen kommt, will die Universität künftig noch familiengerechter werden. „Wir nehmen das sehr ernst“, sagt Sabine Kunst und meint nicht nur die Einrichtung von Kindertagesstätten mit elternfreundlichen Öffnungszeiten. „Wir wollen junge Väter und vor allem Mütter in ihrer wissenschaftlichen Karriere bestärken, besonders in der sensiblen Bewerbungsphase nach der Promotion.“ Netzwerke aus Beratung und Unterstützung sollen die Frauen in belastenden Situationen auffangen. „Sie müssen den Biss haben, sich der Konkurrenz zu stellen und dann auch durchzusetzen“, sagt die Präsidentin. Man nimmt es ihr ab, ohne jeden Zweifel.

Antje Horn-Conrad

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