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Aus dem GERICHTSSAAL: Mit blutigem Kinn aufgewacht Freispruch wegen fehlender Beweise

Webdesigner Jan J.* kam in der Nacht des 29.

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Webdesigner Jan J.* kam in der Nacht des 29. April 2011 leicht angetrunken aus der Kneipe Olga in der Charlottenstraße. In der Straßenbahn Richtung Kirchsteigfeld traf er auf Karsten K.* Der war wesentlich stärker alkoholisiert und offensichtlich auf Konfrontation aus. Jan J. fühlte sich durch Worte und Gesten des Älteren in der menschenleeren Tram bedroht. Als Karsten K. ihm nach dem Aussteigen folgte, wählte er den Polizeinotruf. Danach – so erklärte der 26-Jährige am gestrigen Mittwoch im Zeugenstand – setze seine Erinnerung aus. Er sei erst im Krankenhaus wieder zu sich gekommen, habe eine Verletzung am Kinn und sein blutbeflecktes T-Shirt wahrgenommen. Sein 650 Euro teures Handy fehlte.

Fast auf den Tag drei Jahre nach dem Vorfall musste sich Karsten K. (50) nun wegen Raubes vor dem Schöffengericht unter Vorsitz von Reinhild Ahle verantworten. Der arbeitslose Schlosser ist rund zwei Dutzend Mal vorbestraft, meist wegen Verkehrs- und Eigentumsdelikten. Drei Eintragungen lauten auf Körperverletzung, er steht unter mehrfacher Bewährung. Gestern wurde er allerdings nach dem Grundsatz „In dubio pro reo“ freigesprochen. Der während der gesamten Verhandlung aufmüpfige Angeklagte hatte Frotzeleien und Imponiergehabe gegenüber dem Jüngeren zugegeben, Faustschläge gegen dessen Kopf jedoch bestritten. Auch mit dem Verschwinden des Handys habe er nichts zu tun, beteuerte der Glatzköpfige. Jan J. sei gestolpert und zu Boden gestürzt, während er sich nach ihm umgedreht und an seinem Mobiltelefon herumhantiert habe, so die Version des Angeklagten. Da er aus seiner Sicht keine Hilfe brauchte, habe er sich auf den Heimweg gemacht.

Jan J. lief ebenfalls nach Hause. Als die Polizei wenig später an der Wohnungstür klingelte, konnte er sich ihr Erscheinen nicht erklären. „Er machte einen verwirrten Eindruck und war mit 0,4 Promille nicht besonders betrunken. Drogen hatte er auch nicht genommen“, erinnerte sich der Polizeibeamte Thomas F. (33) vor Gericht. Jan J. wusste nicht mehr, dass er die Notrufnummer 110 gewählt hatte und die Verbindung danach abbrach. „Ich hatte den Eindruck, dass er einen gehörigen Schlag auf den Kopf gekriegt haben muss. Deshalb haben wir einen Krankenwagen angefordert“, so der Zeuge.

„Ich hatte in der Straßenbahn ein Gefühl der Bedrohung und des extremen Unwohlseins“, schilderte Jan J. seine nächtliche Begegnung mit dem Angeklagten. Er könne sich noch an die Worte „aufs Maul“ erinnern, dass er an der Haltestelle Maria-Juchacz-Straße ausgestiegen sei und Karsten K. ihm folgte. „Er muss mich geschlagen haben“, vermutete der Webdesigner. Allerdings konnte er auf Nachfragen der Vorsitzenden nicht ausschließen, gestürzt zu sein.

„Die Geschichte des Angeklagten ist nicht zu widerlegen. Allerdings kann es auch so gewesen sein, wie es der Geschädigte geschildert hat“, resümierte Richterin Ahle. „Jetzt wurde er zwar freigesprochen. Aber er muss sich am 8. Mai in anderer Sache zum Strafantritt melden.“ (*Name geändert) Hoga

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